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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Nacht kann ich sicher sowieso nicht schlafen, also würde ich gern deine Geschichte hören.«
    Und ich erzähle von Anfang an. Die ganze Geschichte, seit ich von zu Hause fortgelaufen bin. Die Prophezeiung verschweige ich natürlich. Davon kann ich niemandem erzählen.

10
    »Also, würde es Ihnen denn nun etwas ausmachen, wenn Nakata Sie Kawamura nennt?« Nakata stellte der braun gestreiften Katze noch einmal die gleiche Frage. Er sprach langsam, Wort für Wort, mit möglichst deutlicher Stimme.
    Dieser Kater glaubte, Goma (ein Jahr alt, braun-weiß-schwarz gefleckt, weiblich) in der Nähe gesehen zu haben. Wobei er – aus Nakatas Sicht – eine recht seltsame Redeweise an den Tag legte. Doch anscheinend konnte der Kater auch seinerseits kaum verstehen, was Nakata sagte. Daher redeten sie die meiste Zeit aneinander vorbei, ohne dass ein Sinn dabei herauskam.
    »Tut mir leid, aber Kopf hoch.«
    »Verzeihen Sie, aber Nakata versteht nicht, was Sie meinen. Entschuldigen Sie vielmals, aber Nakata ist ein Dummkopf.«
    »Zum Schluss, eine Makrele.«
    »Möchten Sie vielleicht Makrele essen?«
    »Nein, mir sind die Hände gebunden.«
    Natürlich erwartete Nakata nicht, dass die Kommunikation mit einer Katze gleich reibungslos vonstatten ging. Bei einem Gespräch zwischen Mensch und Katze musste es zwangsläufig zu Verständigungsschwierigkeiten kommen. Überhaupt war Nakatas eigene Kommunikationsfähigkeit – ob es sich nun um Menschen oder Katzen handelte – an sich schon ein kleines Problem. Seine mühelose Unterhaltung mit Otsuka in der Woche zuvor war eher eine Ausnahme gewesen. Im Allgemeinen kam es öfter vor, dass schon der Austausch einfacher Nachrichten größere Mühe kostete. Im schlimmsten Fall war es, als schrieen sich die Gesprächspartner bei starkem Wind über einen Kanal hinweg etwas zu. Eben wie jetzt.
    Von allen Katzenarten waren es besonders die braun getigerten, mit denen er häufig nicht die gleiche Wellenlänge hatte – warum das so war, wusste Nakata nicht. Mit schwarzen Katzen kam er in der Regel gut zurecht. Am allerbesten hingegen konnte er sich mit Siamkatzen unterhalten, doch leider traf er auf seinen Streifzügen nur selten auf streunende Siamkatzen. Die wurden gewöhnlich gehätschelt und im Haus gehalten. Die Mehrzahl der Streuner war aus irgendeinem Grund braun getigert.
    Jedenfalls verstand Nakata kaum ein Wort von dem, was dieser Kawamura sagte. Seine Aussprache war so undeutlich, dass Nakata die Bedeutung der einzelnen Worte nicht begriff. Es schien keinen Zusammenhang zwischen ihnen zu geben. Sie klangen auch nicht wie normale Sätze, sondern eher wie Rätsel. Nakata war jedoch ein sehr geduldiger Charakter, und Zeit hatte er auch genug. Also wiederholte er ein ums andere Mal das Gleiche und hörte zu, wie sein Gegenüber ebenfalls immer wieder das Gleiche sagte. Die beiden saßen auf einem Mäuerchen an einem kleinen Spielplatz inmitten einer Wohnsiedlung. Sie redeten bereits seit fast einer Stunde, aber das Gespräch kam nicht vom Fleck.
    »›Kawamura‹ ist nur ein Name, mit dem Nakata Sie anreden möchte. Eine besondere Bedeutung hat das nicht. Nakata gibt den Katzen passende Namen, um sich besser an sie erinnern zu können. Ohne Sie damit belästigen zu wollen. Nakata würde Sie einfach nur gern Kawamura nennen.«
    Kawamura wiederholte nuschelnd irgendetwas Unverständliches, aber da kein Ende absehbar war, ging Nakata tapfer zur nächsten Phase über und zeigte Kawamura noch einmal das Foto von Goma.
    »Herr Kawamura, das ist Goma, die Katze, die Nakata sucht. Sie ist ein Jahr alt und braun-weiß-schwarz gefleckt. Sie hat in Nogata bei den Koizumis gelebt, ist aber vor kurzem verschwunden. Die Frau hat das Fenster geöffnet, und Goma ist mir nichts dir nichts davongelaufen. Also nochmals, haben Sie diese Katze gesehen, Herr Kawamura?«
    Kawamura schaute sich das Foto abermals an und nickte.
    »Kawamura, wenn Makrele, dann gebunden, wenn gebunden, dann suchen.«
    »Entschuldigen Sie, Nakata ist, wie gesagt, ziemlich dumm und versteht nicht, was Sie zu sagen belieben. Könnten Sie es noch einmal wiederholen?«
    »Kawamura, wenn Makrele, dann gebunden, wenn gebunden, dann suchen.«
    »Meinen Sie mit ›Makrele‹ den Fisch?«
    »Gebunden Makrele, aber wenn gebunden, Kawamura.«
    Nakata fuhr sich mit der Hand über die grauen Haarstoppeln und überlegte. Wie konnte er aus diesem Irrgarten von einem Gespräch über Makrelen herauskommen? Aber sosehr er sich auch den Kopf zerbrach,

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