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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Dank. Wenn Fräulein Mimi nicht so freundlich gewesen wäre, etwas zu sagen, wäre Nakata immer noch nicht weiter als bei der Sache mit der Makrele. Besten Dank.«
    »Ich vermute«, sagte Mimi und sah mit besorgter Miene zu Nakata auf, »der Mann ist gefährlich. Sehr gefährlich. Gefährlicher, als Sie es sich vielleicht vorstellen können. Ich würde nicht mal in die Nähe dieses Geländes gehen. Aber Sie sind ein Mensch, und es ist Ihre Arbeit. Passen Sie bitte trotzdem sehr gut auf sich auf!«
    »Vielen Dank. Nakata wird so gut wie möglich aufpassen.«
    »Herr Nakata, dies ist eine äußerst gewalttätige Welt. Und niemand kann der Gewalt entkommen. Vergessen Sie das bitte nicht. Man kann sich nie genug in Acht nehmen. Das gilt für Katzen wie für Menschen.«
    »Jawohl, Nakata wird es beherzigen«, sagte Nakata.
    Dennoch vermochte er nicht zu begreifen, wo und wie diese Welt gewalttätig war. Es gab so vieles auf dieser Welt, das er nicht verstand, und dazu gehörte alles, was mit Gewalt zu tun hatte.
     
    Nakata verabschiedete sich von Mimi und machte sich auf den Weg zu dem beschriebenen Baugelände. Es hatte die Größe eines kleinen Sportplatzes und war von einem hohen Bretterzaun umgeben. »Privatgrundstück. Unbefugten ist der Zutritt verboten« stand auf einem Schild (das Nakata natürlich nicht lesen konnte), und am Eingang hing eine schwere Kette, aber von der Rückseite kam man durch eine Lücke im Zaun hinein. Jemand schien mit Gewalt ein Brett aus dem Zaun gebrochen zu haben.
    Die Lagerhalle, die vorher dort gestanden hatte, war abgerissen worden, und danach hatten Gras und kindshohe Goldruten das noch nicht planierte Grundstück überwuchert, über dem nun unzählige Schmetterlinge taumelten. Durch den Regen waren die aufgeworfenen Erdhaufen hart geworden, sodass hie und da kleine Hügel entstanden waren. Überhaupt war es ein Platz so ganz nach Katzengeschmack. Menschen betraten das Gelände, auf dem es keinen Mangel an Verstecken für die zahllosen kleinen Lebewesen gab, so gut wie nie.
    Von Kawamura war nichts zu sehen. Zwei magere, räudige Katzen streiften Nakata nur mit einem kalten Blick, als er sie mit einem liebenswürdigen »guten Tag« begrüßte, und verschwanden ohne Erwiderung im Gras. Klar. Wer wollte schon von einem Verrückten eingefangen werden und mit einer Schere den Schwanz abgeschnitten bekommen? Nakata wollte so einem auch nicht begegnen – auch wenn er natürlich keinen Schwanz hatte. Es konnte nicht schaden, auf der Hut zu sein.
    Nakata stellte sich auf eine kleine Erhöhung und sah sich um. Niemand zu sehen. Ein weißer Schmetterling flog über dem Gras hin und her, als sei er auf der Suche nach etwas Bestimmtem. Nakata setzte sich an eine geeignete Stelle, nahm aus der Stofftasche, die über seiner Schulter hing, zwei Brötchen mit süßer Bohnenfüllung und verspeiste sie wie immer als Mittagessen. Dann trank er, die Augen halb geschlossen, in Ruhe seinen heißen Tee aus der Thermosflasche. Es herrschte nachmittägliche Stille. Alles ruhte in Harmonie und Frieden. Wer an einem solchen Ort lauern sollte, um Gräuel gegen Katzen zu schmieden, wollte Nakata einfach nicht in den Kopf.
    Während er langsam auf seinem Bohnenmusbrötchen herumkaute, rieb er sich mit der Hand den grauen Stoppelkopf. In Ermangelung einer Person, der er hätte erklären können, dass »Nakata dumm« sei, nickte er mehrmals kurz vor sich hin und aß dann schweigend weiter. Als er fertig war, faltete er das Zellophanpapier, in dem die Brötchen gewesen waren, klein zusammen und steckte es in seinen Beutel. Er schraubte den Deckel seiner Thermosflasche fest zu und packte auch sie in den Beutel. Der Himmel war von einer Wolkenschicht bedeckt, aber ihre Färbung ließ die Sonne dahinter erahnen.
    Der Mann ist groß, trägt einen komischen hoben Hut und Le derstiefel.
    Nakata versuchte sich den Mann im Geiste vorzustellen, aber er kam nicht dahinter, was ein komischer hoher Hut und Lederstiefel waren. So etwas hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Mimi zufolge hatte Kawamura gesagt, man erkenne ihn sofort, wenn man ihn sehe. Also blieb Nakata nichts anderes übrig, als zu warten, bis er den Mann vor sich hatte. Das war auf alle Fälle das Sicherste. Nakata stand auf und urinierte ins Gras. Lange und ausgiebig. Anschließend setzte er sich an eine möglichst unauffällige Stelle am Rand des Geländes ins Gras und verbrachte den Nachmittag damit, darauf zu warten, dass der merkwürdige Mann

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