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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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wenn ich dir das Ding leihe.«
    »Henry wird nicht mehr lange in der Sägemühle bleiben.«
    »Wieso das?«
    Sunset erzählte Marilyn alles, was sie wusste. Erst war es nur wie ein Rinnsal aus einem Riss im Deich, dann wurde es mehr, und schließlich brach der Damm und alles strömte heraus. Als es vorbei war, sagte Sunset: »Ich werde nicht weinen. Ich habe schon viel zu viel geweint. In letzter Zeit bin ich nur noch am Weinen. Ich bin Constable. Ich sollte nicht weinen.«
    »Wer sagt das?«
    »Ich. Nur, dass mir gleich die Tränen kommen.«
    Marilyn rammte den Lochspaten so in die Erde, dass er aufrecht darin stand, dann nahm sie Sunset in den Arm, und Sunset weinte. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen, der graue Himmel war schwarz geworden, die Sterne kamen heraus, als würde man sie aus einer Tube drücken, und Sunset weinte.
    »Verdammt«, sagte sie. »Ich sollte nicht weinen. Ich bin Constable. Ich habe eben schon meinen Daddy vollgeheult, dabei kenne ich ihn gar nicht. Ich heule die ganze Zeit.«
    »Aber hoffentlich nicht, weil Henry aufhört.«
    Sunset brach in schallendes Gelächter aus. »Nein.«
    »Ich wollte ihn sowieso rauswerfen, sobald ich mir in Ruhe die Bücher angesehen habe. Vermutlich hat er seit Jahren in die Kasse gegriffen. Jones wollte mir nie glauben, wenn ich ihn deswegen angesprochen habe, und deshalb hasst Henry mich. Er weiß, dass ich es weiß. Und tief drinnen ist ihm auch klar, dass ich ganz schön rachsüchtig bin. Ich kann eine Menge aushalten, so wie mit Jones, aber wenn es reicht, dann reicht es. Jones hat das auch lernen müssen.«
    Sunset wischte sich mit dem Unterarm die Tränen ab.
    »Pete ist auch manchmal zu mir gekommen und hat geweint«, sagte Marilyn.
    »Wirklich? Weswegen?«
    »Ich weiß es nicht. Ehrlich. Er kam vorbei, ich habe ihm was zu essen gemacht, und dann fing er an zu weinen.«
    »Die ganze Zeit?«
    »Ab und zu. Aber er hat wegen etwas Bestimmten geweint. Er hat an meiner Schulter geweint wie damals, als er noch klein war, und das war angenehm. Dann schien er wieder mein Junge zu sein, nicht der Mann, der aus ihm geworden war, ein Mann wie sein Vater.«
    »Ob er wohl wegen mir geweint hat? Weil ich nicht so war, wie er wollte, wie auch immer das war?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Er könnte doch um mich geweint haben. Wenigstens einmal. Das hätte mir gefallen, genau wie dir.« Sunset holte tief Luft und nahm ihren ganzen Mut zusammen für das, was sie als Nächstes sagen musste. »Daddy hat mir erzählt, dass Karen schwanger ist. Du hast es ihm gesagt.«
    »Ich hätte es dir selbst sagen sollen. Aber nachdem ich darauf kam, dass Lee dein Vater ist, dachte ich, vielleicht sollte er es dir lieber sagen. Bist du sauer?«
    »Nein.«
    »Komm, meine Liebe. Gehen wir rein und sehen nach, was wir zum Abendessen dahaben. Ich mache das hier ein andermal fertig. Und vielleicht kannst du behutsam mit Karen reden. Sie braucht jetzt Unterstützung, so wie du damals, als du mit ihr schwanger warst.«
    »So schwanger ist sie noch nicht. Sie könnte es noch wegmachen lassen, wenn sie will.«
    »Ich glaube, das ist nicht der Weg, den sie gehen möchte.«
    »Na gut«, sagte Sunset. »Es ist ihre Entscheidung, und egal, wofür sie sich entscheidet, ich bin für sie da.«
    »Das sind wir beide.«
     

KAPITEL 31
     
     
    Hillbilly lag, den Rücken gegen das Kopfteil gestützt, im Bett und rauchte eine selbstgedrehte Zigarette. Seine eine Hand lag auf dem Hintern der schlafenden Hure, und er überlegte sich gerade, ob er sie aufwecken sollte. Sie hätte eigentlich etwas kosten müssen, hatte bis jetzt aber nichts verlangt. Er hatte ihr schöne Worte gemacht, ihr Honig ums Maul geschmiert, ihr gesagt, dass sie ein besseres Leben als ihr jetziges verdiene und wie hübsch sie sei. Was sie auch war, abgesehen von der Narbe an der Nase, wo jemand sie mit einem Messer aufgeschlitzt hatte. Aber alles andere an ihr ließ einen die Narbe vergessen. Wenn sie nackt war, schien es die Narbe gar nicht mehr zu geben.
    Er hatte die Lampe auf dem kleinen Tisch beim Fenster angezündet, denn er hatte es gern ein bisschen hell beim Sex, nicht nur, um die Frau zu sehen, sondern auch, damit sie ihn sah. Er wusste, dass Frauen ihn gern betrachteten, so, wie er aussah. Er warf einen Blick auf seine neue Gitarre, die in der Ecke lehnte. Sie war auf jeden Fall besser als die Mundharmonika und die Maultrommel. Die waren brauchbar, wenn man sonst nichts hatte, richtige Musik konnte man damit aber nicht

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