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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Plane.
    »Solange es keinen Sturm gibt, muss niemand seinen blanken Arsch zeigen«, sagte Clyde. »Aber beim ersten Windstoß garantier ich für nichts mehr. Vielleicht kann ich morgen ein richtiges Klo bauen und ein paar Kataloge reinlegen.«
    »Von denen hat er mehr als genug«, entgegnete Hillbilly. »Tatsache ist, der hat mehr Papier und Kataloge und Schrott, als die Polizei erlaubt. Sieht aus, als wär sein Haus von dem Tornado weggeblasen worden, der hier durchgezogen ist, und als wär dann alles von ner Springflut in einem Haufen wieder zurückgespült worden.«
    »Aber es ist mein Haufen«, sagte Clyde.
    Abends, nachdem Hillbilly und Clyde gefahren waren, saßen Sunset und Karen auf der Matratze in der Wohnungshälfte des Zelts. Karen war immer noch nicht sehr gesprächig. Sunset vermisste ihre frühere Redseligkeit. Karen ging früh ins Bett, und Sunset vertiefte sich in das Buch über Polizeiarbeit.
    Nichts, was sie in dem Buch fand, stimmte mit dem überein, was Pete gemacht hatte, abgesehen von der Polizeimarke, die sie jetzt gerade trug, und der Waffe. In keinem Kapitel wurde beschrieben, wie man jemanden windelweich prügelt oder wie man seine Frau betrügt. Als sie etwa ein Viertel des Buchs gelesen hatte, wurde es ihr zu langweilig. Sie nahm sich einen Spiegel und betrachtete ihr Gesicht. Die Schwellung war größtenteils abgeheilt, nicht aber ihre Veilchen, und die linke Hälfte ihrer Unterlippe sah aus wie ein Reifen mit einer Hitzeblase.
    Sunset löschte die Lampe und versuchte zu schlafen, döste aber nur ein bisschen vor sich hin. Ab und zu träumte sie. Dann dachte sie an ihre Mutter, die von dem allseits geschätzten Reverend Beck geschwängert worden war, dem Priester, der den Namen Camp Rapture für das Holzfällerlager vorgeschlagen hatte. »Ja«, hatte Sunsets Mutter immer gesagt, »Reverend Beck hat mir mehr als nur den Geist Jesu eingepflanzt. Männer lügen, um zu bekommen, was sie wollen, mein Kind. Auch ein Mann Gottes. Besonders ein Mann Gottes. Merk dir das, mein Schatz. Wenn es irgendwie geht, kneif die Beine fest zusammen, bis du dreißig bist. Du wirst es nicht schaffen, aber versuch es wenigstens. Und vergiss eins nicht: Der Schwanz allein macht dich nicht glücklich. Sorg dafür, dass er auch den kleinen Knopf da unten bedient. Du weißt nicht, wovon ich rede, aber glaub mir, du wirst es noch herausfinden.«
    Damals hatte Sunset die Botschaft nicht in ihrem ganzen Ausmaß begriffen, abgesehen von dem Teil mit dem Knopf, den sie bereits entdeckt hatte. Bis sie auch den Rest verstand, war sie schon viel zu verliebt in Pete, um sich noch dafür zu interessieren. Wenigstens hatte er sie geheiratet, nachdem er sie geschwängert hatte. Das war immerhin etwas. Mehr, als ihrer Mutter zuteil geworden war.
    Nicht nur hatte sich Sunsets Mutter schwängern lassen und den Mann verloren – als Sunset dreizehn war, hatte sie sich mit einem Vertreter für Schuhe eingelassen, der Banjo spielte, und sich mit ihm und seinen Schuhen aus dem Staub gemacht, vermutlich während er irgendein Volkslied klimperte. Sie war einfach auf und davon und hatte ihrer Tochter nur einen Zettel hingelegt, auf dem stand: »Tut mir leid, Sunset. Ich muss dich verlassen. Mama liebt dich. Ich habe dir ein gutes Paar Schuhe dagelassen, sie stehen auf dem Küchentisch. Sie sind leicht zu putzen.«
    Sunset blieb zwei Jahre bei einem Ehepaar, das eine Farm betrieb, aber die beiden wollten in erster Linie eine billige Arbeitskraft. Irgendwann hing ihr das zum Hals raus. Sie hatte so viele Kartoffeln ausgegraben und aufgeklaubt, dass sie mehr Erde unter den Fingernägeln hatte als ein Maulwurf in seinem Pelz. Außerdem hatte der Mann, dem die Farm gehörte, ein Auge auf sie geworfen. Er fasste sie zwar nie an, aber ihr war klar: So, wie er sie ansah, würde es irgendwann Ärger geben. Immer, wenn sie sich auf dem Kartoffelacker bückte, hatte sie das Gefühl, ein Pfeil sei auf ihren Hintern gerichtet. Aber wenn sie sich umdrehte, war es kein Pfeil, sondern der Blick des Farmers.
    Also zog sie aus. Oder genauer gesagt: Sie lief weg. Stand mitten in der Nacht auf, warf das Bisschen, was sie besaß, in eine Leinentasche und machte sich wie ihre Mama auf und davon, allerdings ohne Banjo und ohne Schuhverkäufer.
    Sie fand Arbeit in einer Baumwollspinnerei in der Nähe von Holiday und lebte einen Monat lang im Hinterzimmer eines Bekleidungsgeschäfts, wo sie auf einer Pritsche neben einer Witwe und ihren drei Kindern schlief.

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