Kahlschlag (German Edition)
Halbmast hast.«
Die Frauen waren auch nicht viel freundlicher.
»Die kommt aus kleinen Verhältnissen, hat ihren Mann umgebracht, und jetzt schau sie dir an. Hält sich für einen Gesetzeshüter. Ist das zu fassen?«
»Ihre Haare könnte sie auch mal hochstecken. Die sieht ja aus wie ein Flittchen mit den langen roten Zotteln. Wenn ich sie wäre, würde ich es färben, damit es einen natürlicheren Farbton hat.«
Nachdem Sunset sich das ein paar Tage lang angehört hatte, beschloss sie, wieder in ihr altes Zuhause zurückzuziehen, so wie es war, und ihre Arbeit dort zu erledigen. Sie lief diesen Leute vielleicht hin und wieder über den Weg und musste irgendwie mit ihnen fertig werden, aber sie musste nicht unbedingt in deren Nähe wohnen.
Ihre Schwiegermutter hatte ihr zwei Khakiröcke genäht und ein paar dazu passende Männerhemden umgearbeitet. Sunset trug Petes Blechstern, in den das Wort »Constable« eingestanzt war, und Holzfällerstiefel, außerdem Petes altes Holster und die .38er, mit der sie ihm das Licht ausgeblasen hatte.
Sie fuhren in Clydes klapprigem, keuchendem Pick-up zu ihr nach Hause, zusammen mit Hillbilly. Im Bodenblech war ein Loch, durch das man die Straße unter sich vorbeigleiten sehen konnte. Clyde saß links von ihr, Hillbilly rechts und Karen hinten auf der Ladefläche, wo auch einige Vorräte lagen: Essen, Krimskrams, ein bisschen Holz, mehrere große Abdeckplanen sowie ein Zelt. Letzteres hatte Marilyn bezahlt, und Sunset hatte sich den Preis aufgeschrieben, weil sie ihr das Geld so bald wie möglich zurückgeben wollte.
Während sie die staubige Landstraße entlangholperten, stellte Sunset fest, dass Clydes Kleidung nach Sägemühle roch. Sauber, aber mit diesem leichten Aroma von Sägemehl und Harz. Die Krempe seines großen schwarzen Cowboyhuts hatte er nach oben gebogen, auf dem Hut lag ein Staubfilm, und die Feder im Hutband war zerrupft wie ein von Katzen abgenagtes Fischskelett.
Auf Hillbillys Kleidung war nicht ein Stäubchen zu sehen. Seine Kappe hatte er in einem kecken Winkel aufgesetzt. Keine Federn. Im Gegensatz zu Clyde war der Kragen an Hillbillys Hemd sorgfältig glatt gestrichen, und dem Hemd fehlte nicht ein einziger Knopf. Er roch nach etwas Süßlichem, vielleicht sogar Essbarem.
Clyde und Hillbilly halfen Sunset, Petes Aktenschrank zu bergen und auf dem Holzboden abzustellen, der den Überrest ihres Hauses darstellte. Sunset sammelte die Akten ein und legte sie oben auf den beschädigten Schrank. Sie war fest entschlossen, ihn zu reparieren und die Akten schon bald zu sortieren. Als sie fertig waren, sagte Hillbilly: »Ich glaub, die alte Karre da drüben hat ihre letzte Meile gefahren.«
»Clyde?«, fragte Sunset. »Nehmen wir deinen Pick-up, wenn wir irgendwohin müssen?«
»Solange ich Benzingeld kriege und er nicht auseinanderfällt. An einigen Stellen ist der Motor nur mit Kleiderbügeldraht befestigt, bei Schlaglöchern muss ich aufpassen.«
»Wir müssen eben mit dem zurechtkommen, was wir haben«, entgegnete Sunset.
Aus Holz und Leinwänden bauten sie auf dem Boden des Hauses ein großes Zelt auf. Dafür ging fast der ganze Tag drauf. Dann zogen sie vom Eingang bis zur hinteren Zeltwand eine Schnur, befestigten sie an den Zeltstangen und hängten Laken und Decken daran. Auf der einen Seite des Zelts war Sunsets und Karens Zimmer, auf der anderen das Büro.
In Sunsets Hälfte lag eine Matratze, auf der Karen und sie schlafen konnten, außerdem hatten sie eine Waschschüssel, ein paar Stühle, einen Tisch, vier Kerosinlampen, einen Stapel Nahrungsmittel und sonstige Vorräte sowie ein Buch über Polizeiarbeit, das Pete gehört hatte. Sie hatte es hinten im Aktenschrank gefunden. Es sah aus, als wäre es noch nie aufgeschlagen worden.
In der Bürohälfte standen der Aktenschrank, vier Stühle und ein langer Holztisch, den ihnen die Sägemühle gestiftet hatte. Seine Oberfläche war nach jahrelanger Misshandlung zerkratzt und voller Dellen, und an den Rand hatte jemand geschrieben; »Hannah Jenkins ist eine Hure und nicht mal eine gute.«
Gleich am ersten Tag schmirgelte Sunset den Spruch weg und malte den Tisch dunkelgrün an. Es war dasselbe Grün, in dem auch die meisten Häuser im Camp gestrichen waren, genau wie die Gebäude der Mühle. Dadurch wirkte alles ein wenig militärisch.
Clyde und Hillbilly reparierten den Aktenschrank und errichteten eine provisorische Außentoilette aus Holzbrettern und der letzten noch übrigen
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