Kahlschlag (German Edition)
verdienen.«
»Lieber hab ich weniger Geld und muss nicht in der Mühle arbeiten.«
»Du würdest nicht mal halb so viel verdienen.«
»Ich beteilige mich für alle drei am Lohn für den ersten Monat«, warf Marilyn ein. »Das bezahle ich aus meiner eigenen Tasche. Danach übernimmt dann die Gemeindekasse. Wenn es nicht gut geht, können wir neu überlegen. Lassen wir es Sunset doch einen Monat lang versuchen, zusammen mit Clyde und ... wie heißt du noch mal, mein Sohn?«
»Hillbilly. Zumindest nennt man mich so.«
»Hillbilly, na schön. Wenn sie ihre Arbeit gut macht, lassen wir sie Petes Amtszeit beenden. Damit bist du doch einverstanden, Henry, nicht wahr? Ein Monat Probezeit.«
Henry sah Marilyn an und spürte, wie er Magenschmerzen bekam. Er wusste genau, dass es ihr völlig egal war, ob er sich einverstanden erklärte oder nicht. Jones war immer der Puffer zwischen Marilyn und ihm gewesen. Ihm war klar, dass sie ihn nie gemocht hatte. Nach dem Tod ihres Vaters hatte sie sich eingebildet, er habe einen Teil des Gelds ihres Vaters durch geschickte Buchführung in die eigene Tasche gewirtschaftet.
Womit sie recht hatte. Aber sie konnte es nicht beweisen, und Jones hatte ihr nicht geglaubt. Aber jetzt, wo Jones tot war, steckte sein Schwanz im Schraubstock. Und sie saß an der Kurbel.
»Wir wissen ja nicht mal, ob sie überhaupt will«, sagte Henry.
Marilyn wandte ihre Aufmerksamkeit Sunset zu und fragte: »Nun, meine Liebe?«
Sunset gab lange keine Antwort. Schließlich sage sie: »Ich würde es gern versuchen.«
Gemurmel erhob sich.
»Stimmen wir ab«, schlug Henry vor. »Hier in Camp Rapture läuft alles demokratisch ab.«
Marilyn lächelte Henry zu. »Du hast in etwa so viel Demokratieverständnis wie Dschingis Khan.«
Die Leute lachten.
»Machen wir es doch folgendermaßen«, fuhr Marilyn fort. »Wer ist dagegen, dass Sunset Constable wird? Aber vorher sollte ich vielleicht noch eine kleine Ankündigung machen: Wirtschaftskrise hin oder her – alle bekommen eine Lohnerhöhung von einem Nickel pro Stunde. Außer Henry. Der verdient auch so schon genug.« Sie grinste ihn an.
Henry versuchte zurückzugrinsen, aber seine Mundhöhle schien sich über seine Zähne gestülpt zu haben, und seine Lippen taten einfach nicht, was er wollte. Er konnte nur noch daran denken, dass Marilyn in der Mühle noch nie etwas zu sagen gehabt hatte. Sie hatte sich auch nie dafür interessiert. Es war, als hätte ihr nach Jones’ Tod jemand ein Tonikum verabreicht. Wenn er eins hasste, dann waren das Frauen, die sich wie Männer aufführten. Er bereute, dass sie die Versammlung nicht in der Kirche abgehalten hatten. Vielleicht wäre sie dann gar nicht gekommen.
Doch dann schoss ihm durch den Kopf: Nein, sie hat sich das vorher gründlich überlegt. Sie will, dass Sunset Constable wird. Die Leute werden lachen, weil ich nicht in der Lage bin, diese Frau und ihre mordende Schwiegertochter unter Kontrolle zu bringen. Wenn sich Holiday und Camp Rapture zusammenschließen, wird man mich in überhaupt kein Amt wählen wollen. Wenn ich diese Frauen nicht unter Kontrolle bringe, machen die mich nicht mal mehr zum Straßenkehrer. »Marilyn«, sagte er. »Das ist wirklich keine gute Idee, und das weißt du auch. Werden wir doch jetzt wieder ernst.«
»Oh, mir ist das völlig ernst«, entgegnete Marilyn. »Hände hoch, wer Sunset nicht zum Constable wählen und keine Lohnerhöhung von einem Nickel will. Und oben lassen.«
»Ab wann gilt die Lohnerhöhung?«, fragte Bill Martin.
»Ab dem nächsten Arbeitstag«, antwortete Marilyn.
»Dann kriegt sie meine Stimme«, antwortete Bill.
Man hörte Füße scharren, und einige Männer blickten an die Wand oder an die Decke, als gäbe es dort etwas Besonderes zu sehen. Einige Hände wurden gehoben und schnell wieder gesenkt, als hätten ihre Besitzer nur nach einem lästigen Insekt schlagen wollen. Henry fühlte sich, als hätte er einen Käfer verschluckt.
»Gut«, sagte Marilyn. »Ein paar Gegenstimmen. Das heißt dann also, der Rest ist dafür, dass Sunset Constable wird. Sunset, du bist jetzt Constable.«
KAPITEL 8
Clyde nannte sie Constable Sunset, und der Name blieb an ihr hängen. Die meisten Männer in Camp Rapture nannten sie spöttisch so, oft auch, wenn sie in Hörweite war. »Da kommt die gute alte Constable Sunset. Wenn du ihr Ärger machst, musst du dich zur Strafe in die Ecke stellen.«
»Oder sie erschießt dich, wenn du gerade die Hosen auf
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