Kahlschlag (German Edition)
voran in den Schlamm fiel, wie Clyde diesem Morgan einen Fausthieb versetzte, sodass er mit dem Gesicht in die Hinterlassenschaft des Maulesels stürzte.
Sie zitterte leicht im Schlaf, dann kicherte sie.
Bei Tagesanbruch drehte Sunset sich im Bett um und sah den Hund, der den Kopf unter der Zeltklappe hindurchgestreckt hatte. Er hatte das Kinn auf die Pfoten gelegt und beobachtete sie. Langsam stand sie auf. Der Hund hob den Kopf.
»Ganz ruhig, Junge«, sagte sie. Sie bewegte sich Schritt für Schritt mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Als sie ihn fast erreicht hatte, zog er den Kopf aus dem Zelt zurück. Sunset holte die Maiskekse, öffnete die Klappe und ging nach draußen. Der Hund hatte sich wieder hingelegt, das Kinn auf den Pfoten. Sunset hielt ihm mit der rechten Hand einen Maiskeks entgegen. Die anderen hielt sie in der Linken. »Schon gut«, sagte sie. »Ich weiß, wie das ist, wenn man seine Familie verliert. Wenn die einfach abhaut. Nur, dass du wahrscheinlich nie jemanden von denen erschossen hast, nicht wahr?«
Der Hund sah sie an, drehte den Kopf von einer Seite zur anderen, kroch ein Stück vorwärts, schnappte sich den Keks, sprang zurück und schluckte ihn hinunter. Sunset hielt ihm einen weiteren Keks hin. Der Hund kam vorsichtig näher und nahm ihn. Diesmal zog er sich nicht zurück, und sie gab ihm noch einen. Und noch einen. Als er den letzten Keks vertilgt hatte, durfte sie ihm schon den Kopf streicheln.
»Hättest du Lust, mein Hund zu sein? Ich werde auch nie weglaufen und dich zurücklassen. Das verspreche ich dir.« Der Hund leckte ihr die Hand.
Als Karen aufwachte, war Sunset schon angekleidet und machte Frühstück. Pfannkuchen. Außerdem hatte sie etwas Zuckerrübensirup in eine Pfanne getan und auf dem Herd erhitzt. Der große Hund lag in der Nähe ihrer Füße auf dem Boden.
Als Sunset sich umdrehte und sah, dass Karen aufstand, sagte sie: »Sei vorsichtig. Er fremdelt noch ein bisschen.«
»Beißt der?«
»Jeder Hund beißt schon mal.«
»Wird er mich beißen?«
»Wenn du nett zu ihm bist, nicht. Mach ihm nur keine Angst.«
»Ich finde, der sieht nicht so aus, als hätte er Angst.«
Sunset lächelte. »Wir haben keine Butter im Haus. Aber der Sirup ist warm. In einer Minute ist das Frühstück fertig.«
»Behalten wir ihn?«
»Ja. Das habe ich ihm versprochen. Gebrochene Versprechen hatte er vermutlich schon mehr als genug.«
»Wie heißt er?«
»Ich glaube, er heißt Ben. Wenn ich mich recht erinnere, hat Clyde ihn Ben genannt. Egal, ich nenne ihn auf jeden Fall Ben. Dein Vater hat nie erlaubt, dass ich einen Hund habe.«
»Ich wollte auch immer einen.«
»Ist er nicht ein großer alter hübscher Kerl?«
Karen nickte und glitt vorsichtig aus dem Bett.
»Streck deine Hand aus«, sagte Sunset. »Ganz vorsichtig, und dann geh langsam auf ihn zu.«
Karen tat wie geheißen. Der Hund stand auf und leckte ihr die Hand. »Er mag mich«, sagte Karen.
»Da gibt es ja auch viel zu mögen.«
Karen beugte sich hinunter und legte die Arme um den Hund. Der Hund leckte ihr das Ohr ab. »Hallo Ben«, sagte sie.
»Wasch dir vorm Essen die Hände.«
KAPITEL 12
Nach einer Woche, in der sie meistens in Sunsets Zelt gesessen waren und ansonsten nur eine Zwangsvollstreckung zugestellt und nach einer Schlägerei einen Betrunkenen aus dem Laden in Camp Rapture geholt hatten, wachte Clyde in seinem kaputten Bett auf und dachte an Sunset. Er hatte von ihr geträumt, und in dem Traum hatte sie ihm gehört, aber die Realität sah nicht so aus: Solange Hillbilly da war, würde er sie nie bekommen.
In einem seiner Träume hatte er Hillbilly sogar mit einem Huhn zu Tode geprügelt und ihn dann im Hof vergraben, zusammen mit dem Huhn. Der Traum gefiel ihm fast so gut wie der, in dem Sunset ihn liebte.
Clyde setzte sich auf den Bettrand und sah sich in dem Zimmer um. Zeitungen und Krimskrams, überall. Gerade mal ein Pfad vom Bett zur Tür. Und der Rest des Hauses war genauso. Schlimmer. Wie sollte er denn anziehend auf eine Frau wirken, wenn sein Haus ein einziger Haufen Scheiße war? Und egal, wie man die Scheiße stapelte oder herrichtete, letztlich blieb sie, ganz gleich was man tat, immer genau das: ein Haufen Scheiße.
Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, dass es auch anders sein könnte. Und dann, als Sunset ihren Mann umgebracht hatte, hatte er den Windhauch einer sich öffnenden Tür gespürt – einer Tür, durch die er gern gegangen wäre und die in ein
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