Kahlschlag (German Edition)
Zelt.
»Zufrieden?«, fragte Sunset.
»Nein«, antwortete Willie. »Ich sage ja nur, dass es nicht gut aussieht.«
»Ich glaube, Sie meinen beide ganz was anderes. Und was Hillbilly angeht – der arbeitet lediglich für mich.«
»Oh ja, ich wette, der macht seine Arbeit gut«, erwiderte Willie.
»Und Sie sind wirklich ein Priester?«, fragte Sunset.
»Das wissen Sie doch.«
»Können Priester vor Hunden davonlaufen? Sind Priester so schnell?«
»Was?«
»Ben, fass.«
Ben bellte und machte einen Satz. Willie stieß einen Schrei aus, drehte sich um, rannte um den Wagen herum und schaffte es gerade noch hineinzuspringen, bevor der Hund ihn erwischen konnte. Allerdings verlor er dabei seinen Hut. Ben sprang auf den Hut, drückte ihn mit einer Pfote zu Boden und bearbeitete ihn mit den Zähnen. Er zerriss wie feuchtes Zeitungspapier.
»Das war nicht lustig, Sunset«, beschwerte sich Willie.
»Für mich schon.«
»Das war ein guter Hut.«
»Da haben Sie recht. Wenn Sie wollen, gebe ich ihn Ihnen zurück.«
Ben flitzte auf die Beifahrerseite, stellte sich auf die Hinterbeine und schnappte Geifer verspritzend nach dem Fenster. Henry kurbelte es hoch. Ben sprang immer wieder knurrend und schnappend gegen das Glas, das allmählich nass von seinem Speichel war.
Willie ließ den Wagen an, durchbohrte die Nacht mit dem Licht seiner Scheinwerfer und fuhr mit hoher Geschwindigkeit davon.
»Auf Wiedersehen«, rief Sunset ihnen hinterher.
Ben rannte dem Wagen noch ein Stück hinterher, bevor er kehrtmachte und zurücktrottete. Sunset nahm ihn mit ins Zelt, gab ihm etwas zu fressen, streichelte ihn und gab im einen Kuss auf seinen harten alten Kopf. Danach ließ sie ihn raus und wandte ihre Aufmerksamkeit Karen zu. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte sie.
Karen saß mit angezogenen Beinen auf der Matratze und hatte die Arme um die Knie geschlungen. Selbst im schwachen Licht der Lampe konnte Sunset erkennen, dass Karen sich so fest umklammerte, dass ihre Hände schon ganz weiß waren.
»Hast du sie umgebracht, Mama?«
»Was ist das denn für eine Frage?«
»Hast du sie wegen Daddy umgebracht? Hast du Daddy wegen ihr umgebracht?«
»Das würde ich nie tun. Ich hatte nicht vor, deinen Daddy umzubringen. Das war nicht meine Absicht. Er hat mir wehgetan. Sehr weh. Und da habe ich mich gewehrt.«
»Aber du hast dich von den Schlägen wieder erholt. Dir geht es gut. Und dir wäre es auch wieder gut gegangen, wenn du ihn nicht erschossen hättest.«
»Außer, wenn er mich umgebracht hätte.«
»Der Säugling. Der in dem Farbigenfriedhof. Ist das meine Schwester oder mein Bruder?«
»Schatz, wir wissen nicht mal, ob der Säugling und die Frau zusammengehören, und falls ja, muss das noch nicht heißen, dass es das Kind deines Vaters war.«
»Sie haben gesagt, sie wäre Daddys Freundin gewesen. Das haben sie doch gesagt, nicht wahr, und dass du sie deswegen umgebracht hast? War sie wirklich Daddys Freundin?«
»Das haben sie gesagt, ja. Und ja, sie war Daddys Freundin. Eine von mehreren, Schatz.«
»Ich dachte, Daddy liebt dich.«
»Das dachte ich auch. Damals.«
»Magst du Hillbilly?«
»Ja, ich mag ihn.«
»Du weißt schon, was ich meine.«
»Ich weiß es nicht, Kleines. Zur Zeit weiß ich nichts mit Sicherheit.«
»Hast du ihn geküsst?«
»Ja.«
Karen schwieg ziemlich lange. Schließlich fragte sie: »Warum waren diese Männer so gemein?«
»Henry will, dass ich die Arbeit aufgebe, damit er jemanden einsetzen kann, den er selbst ausgesucht hat. Ich weiß nicht, warum er so wild entschlossen ist, abgesehen davon, dass ihm die Vorstellung nicht behagt, dass ich eine Frau bin. Und deine Großmutter mag er auch nicht sonderlich. Sie hat mehr Einfluss in der Mühle als er. Sie könnte ihn feuern, wenn ihr der Sinn danach stünde, und jetzt, wo dein Großvater nicht mehr lebt, steht ihr vielleicht wirklich der Sinn danach. Ich glaube, Henry will sich um irgendein Amt bewerben. Er glaubt, Holiday und Camp Rapture werden sich zu einer Stadt zusammenschließen.«
»Stimmt das?«
»Ich weiß es nicht. Vermutlich. Ich weiß nicht, warum er sich dermaßen aufregt.«
Karen rollte sich auf die Seite, ohne die Knie loszulassen, und begann so heftig zu schluchzen, dass Sunset schon glaubte, sie würde auseinanderfallen. Sie setzte sich auf die Matratze, streckte vorsichtig die Hand aus und strich Karen über das Haar. Karen ließ sie gewähren. Nach einiger Zeit drehte Karen sich mit einem lauten Aufschrei zu
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