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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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reingeschaut.«
    »Das gibt’s doch nicht.«
    »Oh doch. Das Fenster war nicht sehr weit über dem Boden, und ich hatte die Hose gestrichen voll. Mama hat die Hacke geholt und der Schlange den Kopf abgeschlagen. Später habe ich erfahren, dass eine Peitschenschlange einen zwar verfolgt, aber damit aufhört, wenn man stehen bleibt, und dann kann man wiederum sie verfolgen. Sobald du stehen bleibst, dreht sie um und jagt wieder dich. Für sie ist das so was wie ein Spiel. Ich glaube, sie hat damals durch das Fenster geguckt, damit ich wieder rauskomme und mit ihr weiterspiele. Diesmal sollte ich sie jagen. Und meine Mama ist raus und hat ihr den Kopf abgehackt. Irgendwie habe ich mich deswegen immer schuldig gefühlt.«
    »Du siehst ein bisschen wie’n Priester aus.«
    »Lass dich von ein paar Äußerlichkeiten nicht täuschen. Obwohl es Zeiten gab, in denen ich ziemlich viel gepredigt habe.«
    »Um Geld zu kriegen? Hast du die Leute abgezockt? Mit Heilungen und so was?«
    »Nein, mein Sohn. Mir war es ernst, und mit Heilen hatte ich nichts am Hut. Heilen kann nur der liebe Gott.«
    »Und warum predigst du nicht mehr?«
    »Irgendwie bin ich abgestürzt. Den Ruf des Herrn habe ich noch gehört, aber nicht mehr, was er gerufen hat. Hat sich angefühlt, als würde ich langsam taub. Die Ohren waren noch heil genug, um den Ruf zu hören, aber nicht heil genug, um ihn zu verstehen.«
    »Und was hat dich abstürzen lassen? Saufen? Spielen? Mösen?«
    »Ich weiß, ich bin nicht dein Vater, aber du bist wirklich zu jung, um so zu reden.«
    »Anders kann ich aber nicht reden. Und was Saufen, Spielen und Mösen angeht, das kenn ich alles schon selbst, also kann ich wohl auch drüber reden. Und eins kann ich dir gleich sagen: Mösen gefallen mir am besten. Was war es bei dir?«
    »Alles zusammen. Und dann noch ein paar Sachen, die du nicht aufgezählt hast. Eigentlich bin ich nicht nur wegen Arbeit hier. Ich bin gekommen, weil ich ein paar Dinge, die ich hier verbockt habe, wieder in Ordnung bringen will. Ich will versuchen, mich bei einer Dame zu entschuldigen, falls sie noch da ist und meine Entschuldigung annehmen will.«
    »Und wenn sie das nicht will?«
    »Könnte ich ihr nicht verübeln.«
    »Was machst du, wenn sie nicht mehr in Camp Rapture ist?«
    »Da versuche ich gar nicht erst dran zu denken. Sonst fühle ich mich nur schlecht, also lass ich es lieber. Außer sie ist nicht dort. Dann muss ich mir das doch noch mal durch den Kopf gehen lassen.«
    »Ist das, was passiert ist, schon lange her?«
    »Ja.«
    »Dann vergiss es doch einfach. Mein Papa hat immer gesagt, wenn etwas mal passiert ist, bringt’s nichts mehr, ständig drüber nachzugrübeln. Davon wird’s auch nicht besser.«
    »Da mag er recht haben. Aber ich tue das nicht nur für sie. Ich tue es auch für mich.«
    »Teufel auch, ich bereu nichts, was ich gemacht hab.«
    »Vielleicht, weil du noch nichts wirklich Schlimmes angestellt hast.«
    »Ich hab die Pfefferminzstange geklaut. Und andere Sachen auch.«
    »Das ist nicht gut, aber es könnte schlimmer sein.«
    »Immerhin nicht so schlimm, dass du das Pfefferminz nicht gegessen hättest.«
    »Ich war hungrig.«
    »Genau deshalb hab ich’s geklaut, und noch ungefähr vier weitere. Das war die letzte, die ich noch hatte. Hast du ne Fluppe, Lee?«
    »Nein. Ich rauche nicht. Und du bist zu jung dafür.«
    »Jetzt fängst du schon wieder damit an. Wie sieht’s mit Kautabak aus? Oder mit ein bisschen Schnupftabak?«
    »Gleiche Antwort«, entgegnete Lee.
     
    Etwa eine Stunde später stellten Lee und Goose fest, dass sie weiter von Camp Rapture entfernt waren, als sie gedacht hatten, und dass sie den Ort vor Morgengrauen wohl nicht mehr erreichen würden. Jedenfalls nahmen sie das an, denn beide hatten keine genaue Vorstellung davon, wie weit es noch war. Lee war zwar schon mal dort gewesen, aber das lag viele Jahre zurück, und seit damals hatte sich vieles verändert.
    »Ich bin so verdammt müde, ich glaub, ich brech gleich zusammen«, sagte Goose.
    »Ich auch«, antwortete Lee. »Ich sehe es an der Sternenkonstellation. Schau da, wenn du durch die Bäume hindurchsiehst ...«
    »Ich seh’s schon.«
    »An der Sternenkonstellation erkennt man, dass es schon ziemlich spät ist, und ich bin so erledigt, ich könnte auf der Stelle umfallen und drei Tage durchschlafen.«
    »Ich auch. Aber ein Stück schaffe ich noch, wenn du’s noch schaffst.«
    Sie gingen weiter, bis sie beide wirklich nicht mehr konnten.
    »Ist

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