Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
Mann hätte auch niemals zulassen, dass sich jemand dort hinsetzte, nicht einmal eine der erschöpften Frauen.
    Er hatte sie alle am Morgen bei der Baumwollentkernungsanlage in Holiday aufgelesen, wo die Leute immer hinkamen, wenn sie Arbeit suchten, meistens ohne Erfolg. Er wusste, er konnte dort jederzeit Tagelöhner finden, wenn er ihnen einen Dollar für einen Tag Arbeit auf seinen Feldern bot, die weit außerhalb der Stadt lagen, draußen im feuchten Tiefland zwischen den Bäumen.
    Jetzt, wo die Leute mit der Arbeit fertig und verschwitzt und erschöpft waren, sollte er sie nach Camp Rapture bringen, damit sie in der Sägemühle nach Arbeit fragen konnten. Außerdem war es Zeit, sie auszubezahlen.
    Vor einem Hügel ging er vom Gas, kuppelte aus und schaltete in einen niedrigeren Gang. Der Wagen machte einen Satz, und der Motor erstarb. Der Mann zog die Handbremse, stieg aus und ging nach hinten. »Ich habe ein Problem«, sagte er.
    Die Leute auf der Ladefläche stöhnten, und einer von ihnen, der eine alte Anzugjacke trug, die so fadenscheinig war, dass man fast schon die grünen Streifen auf seinem Hemd sehen konnte, klammerte sich an die Seitenbretter und spähte zwischen ihnen hindurch. Er war groß und sah kräftig aus, vielleicht ein klein wenig zu dick. Sein Haar hatte die typische Farbe, die rotes Haar annimmt, wenn es grau wird. »Sie haben nur die Kupplung falsch bedient«, sagte er.
    »Mag schon stimmen, aber da ist auch was nicht in Ordnung. Das ist mir schon mal passiert. Wenn ihr alle aussteigt und schiebt, lasse ich die Kupplung kommen, vielleicht springt er dann wieder an.«
    »Versuchen Sie es einfach noch mal. Das funktioniert schon.«
    »Nein, das glaubst du vielleicht, aber es funktioniert eben nicht. Das Ding ist nicht in Ordnung. Ich kenne das schon. Also: alle raus und schieben.«
    »Wann kriegen wir unser Geld?«
    »Sobald wir in Camp Rapture sind.«
    »Und warum nicht jetzt gleich? Warum erst in Camp Rapture? Wir wollen da wegen Arbeit fragen. Wir müssen da nicht hin, um das Geld zu kriegen. Sie können es uns auch gleich geben.«
    »Finde ich auch«, sagte einer der anderen Männer.
    »Schon verstanden«, entgegnete der Fahrer. »Aber erst bringen wir den Wagen wieder in Gang. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt. Ich muss das Geld dort erst besorgen.«
    »Warum?«, fragte der Mann in der Anzugjacke.
    »Weil ihr sonst kein Geld bekommt. Ich habe es in Camp Rapture.«
    »Ein Ort wie der hat eine Bank?«
    »Nein. Aber bei dem Laden dort kann man Geld hinterlegen. Das ist nicht wie bei einer Bank. Das ist besser. Sie bewahren es auf, und dafür musst du gelegentlich bei ihnen einkaufen, aber die plündern einen nicht aus wie eine Bank. Die verlangen keine Zinsen, man muss nur ab und zu was kaufen, Sachen, die man sowieso braucht. Mehl zum Beispiel.«
    »Bis wir da sind, hat der Laden nicht mehr offen.«
    »Ich glaube doch, und falls nicht – ich kenne den Besitzer. Kein Problem.«
    Langsam stiegen alle aus dem Wagen. Der rotgesichtige Mann schob die Zigarre mit der Zunge in den anderen Mundwinkel und sagte: »So, alle hier hinten aufstellen, und wenn ich rufe, schiebt ihr. Bleibt mehr an den Seiten, falls der Wagen zurückrollt, damit ihr nicht überfahren werdet.«
    »Lassen Sie es mich doch mal versuchen«, sagte der große Mann mit der Anzugjacke.
    »In meinem Wagen lasse ich niemanden sonst ans Steuer.«
    »Sollten Sie vielleicht aber«, sagte der Junge. »So, wie Sie fahren.« Er machte einen aufgeweckten Eindruck, und sein Gesicht war umrahmt von einem Schopf strohblonder Haare, die unter seiner Tweedkappe herabhingen.
    »Es gehört sich nicht, mit Älteren so zu sprechen. Wenn du das noch mal machst, setzt es eine Backpfeife.«
    »Nein, das tut es nicht«, widersprach der Mann in der Anzugjacke.
    »Jetzt hört mal«, sagte der rotgesichtige Mann. »Helft mir einfach, den Wagen wieder in Gang zu bringen. Ihr bekommt euer Geld, sobald wir in Camp Rapture sind.«
    »Tun wir’s doch einfach«, sagte eine der Frauen. Sie war müde und schwanger und hatte den Tag voll durchgearbeitet. In ihren Haaren klebte der Staub vom Feld, und ihr fehlten einige Zähne. Sie sah aus, als würde sie jeden Moment austrocknen und davonfliegen und nur ihren rundlichen Bauch mit dem Kind darin zurücklassen.
    »Na gut«, willigte der Mann mit der Anzugjacke ein.
    Sie gingen zur Rückseite des Wagens, und der rotgesichtige Mann schwang sich hinter das Steuer. Dann streckte er den Kopf aus dem Fenster

Weitere Kostenlose Bücher