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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Sunset herum, kletterte wie ein Kind auf ihren Schoß und schlang ihr die Arme um den Hals. Sunset hielt sie fest und küsste sie, und eine halbe Stunde später war Karen in ihren Armen eingeschlafen.
     
    Sobald Karen fest schlief, legte Sunset sie auf die Matratze, deckte sie zu und ging dann wieder auf die Büroseite des Zelts, um abzuheften, was sie aufgeschrieben hatte.
    Traurigkeit lastete auf ihr wie ein müder Elefant. Sie setzte sich an den Tisch, stützte den Kopf mit den Händen ab und dachte über das nach, was Henry und Willie gesagt hatten. Vielleicht sollte sie einfach die Polizeimarke zurückgeben. Das würde alles viel einfacher machen. Sie hatte Jimmie Jo nicht umgebracht, aber Henry und Willie wollten es unbedingt so aussehen lassen. Und es sollte auch so aussehen, als hätte sie den Säugling getötet und aus lauter Böswilligkeit der Mutter aus dem Leib geschnitten. So was Lächerliches.
    Sollen sie ihre verdammte Marke doch haben, dachte sie. Und die verdammte Arbeit. Und ich ...
    Und ich? Ich habe dann kein Geld mehr. Und dann werden die Leute erst recht glauben, dass ich es getan habe. Selbst wenn Henry und Willie nichts sagen – was sehr unwahrscheinlich ist –, werden sie ihren Willen bekommen. Nein. Ich bleibe. Ich bleibe und finde raus, wer diese Frau und ihr Kind ermordet hat, das wahrscheinlich der Säugling auf dem Farbigenfriedhof ist. Davon hatte sie Willie nichts erzählt. Das wussten nur sie, Karen, Clyde und Hillbilly. Außer einer von ihnen hätte es weitererzählt.
    Wenn sich mich loswerden wollen, dachte sie, müssen sie mir die Arbeit wegnehmen. Kampflos gebe ich nicht auf.

KAPITEL 15
     
     
    Nachdem ihr »Boss« sie verlassen hatte, wanderten die fünf Männer, die drei Frauen und der Junge vor sich hin, bis die Sonne gerade noch als dünne rote Linie hinter den Bäumen zu sehen war. Die Dunkelheit brach herein und ließ das Mondlicht durch die Äste des Walds ranken wie zarte Spinnweben. Schließlich war es völlig dunkel. Der Mond leuchtete fahlweiß am tiefschwarzen Himmel, zusammen mit den scharfen weißen Punkten der Sterne. Dann kamen dunkle Wolken auf, die schnell heransegelten, aber nicht weiterzogen. Jetzt fiel nur noch gelegentlich ein bisschen Licht durch die Löcher in der Wolkendecke.
    Der Großteil der Gruppe beschloss, neben der Straße zu übernachten, aber der Mann mit der Anzugjacke und der Junge gingen weiter Richtung Camp Rapture. Unter den Bäumen staute sich die Hitze wie unter der Achselhöhle in einem Seersucker-Anzug. Da der Mond nur noch selten herauskam, konnte man nicht weit sehen. Sie gingen dort, wo ihnen keine Bäume im Weg standen, und hielten sich so auf der Straße. Um sie herum zirpten Grillen, und weiter unten, wo der Fluss sich seinen Weg durch den Wald bahnte, war ein Ochsenfrosch zu hören, der Geräusche von sich gab, dass sich einem die Nackenhaare sträubten.
    »Klingt wie ne kaputte Hupe«, sagte der Junge.
    »Die großen klingen immer so«, erwiderte der Mann. »Wenn du das hörst, denkst du, wer so ein Geräusch von sich gibt, muss mindestens drei Meter groß sein. Wie heißt du?«
    »Man nennt mich Goose, aber das ist nicht mein richtiger Name.«
    »Stört es dich, wenn man dich Goose nennt?«
    »Ist besser als mein richtiger Name oder als der Spitzname meines Bruders.«
    »Wie wird er genannt?«
    »Scheißer.«
    »Scheißer? Wieso das denn?«
    »Ich weiß es nicht genau. Na ja, ich nehm an, es war, weil er sich immer in die Hose gemacht hat. Bis er elf war. Er war nur ein Jahr älter als ich.«
    »War?«
    »Er hat sich irgendwas geholt und ist gestorben, Kinderlähmung, glaub ich. Meine Mama und mein Daddy hatten neun Kinder, und da hab ich beschlossen, ich könnt ganz gut allein zurechtkommen. Dann haben die anderen, meine Schwestern, mehr Möglichkeiten.«
    »Ein paar von deinen Schwestern müssen eigentlich älter sein als du.«
    »Ja. Aber die sind nicht so abenteuerlustig veranlagt wie ich.«
    »Du hast mir noch gar nicht gesagt, warum man dich Goose nennt.«
    »Weil ich wie ne Gans gehe.«
    »Und wie ist dein richtiger Name?«
    »Draighton.«
    »Den finde ich gar nicht mal so schlecht.«
    »Goose gefällt mir besser.«
    »Na gut, Goose.«
    »Und wie heißt du?«
    »Lee.«
    »Ist die Jacke nicht ziemlich warm?«
    »Doch. Ich behalte sie, damit ich was habe, wenn es Winter wird. Bei der Arbeit kann ich sie ausziehen, und nachts kann ich mich damit zudecken. Wenn man es gewöhnt ist, ist sie beim Gehen gar nicht so

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