Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
und sagte: »Macht euch bereit.« Sie teilten sich in zwei Gruppen auf, vier auf der einen, fünf auf der anderen Seite. »Seid ihr so weit?«, fragte der rotgesichtige Mann.
    »Wir sind so weit«, antwortete einer der Männer.
    »Dann mal los«, sagte der Rotgesichtige. Er startete den Wagen, ließ die Kupplung kommen, fuhr los und gab Gas.
    »He! He!«, schrie der Junge und rannte dem Wagen hinterher. »Kommen Sie zurück!«
    Im Fenster des Wagens tauchte eine winkende Hand auf.
    »Kommen Sie zurück!«, rief der Junge noch einmal.
    »Verdammt«, sagte der Mann in der Anzugjacke. »Das hätte ich wissen müssen.«
    »Du wusstest es aber nicht«, entgegnete einer der Männer. Anzugjacke musterte ihn. Der Mann war dünn und sah genauso müde und erschöpft aus wie die Schwangere, mit der er verheiratet war.
    »So’n Scheiß, jetzt haben wir den ganzen Tag umsonst gearbeitet«, sagte der Junge.
    »Sieht so aus«, gab Anzugjacke zurück, und sie machten sich auf den Weg.
    »Vielleicht können wir ihn uns in Camp Rapture schnappen«, schlug die Schwangere vor. »Und uns das Geld holen.«
    »Wenn ich den in die Finger kriege«, sagte der dünne Mann, »dann verliert der mehr als nur sein Geld. Da gehen auch ein paar Zähne bei drauf, vielleicht auch noch ein paar andere Körperteile.«
    »Ich glaub nicht, dass er nach Camp Rapture fährt«, erwiderte ein anderer der Männer. »Das hat er nur so behauptet.«
    »Vermutlich könnten wir ihm auf seinem Feld auflauern«, sagte ein anderer.
    »Nach Camp Rapture ist es nicht so weit wie zu seinem Feld«, entgegnete Anzugjacke. »Ich glaube, ich finde mich mit dem Verlust ab und hoffe einfach, er läuft mir mal über den Weg.«
    »Allmählich gewöhn ich mich richtig dran, dass ich immer am kürzeren Hebel sitze«, sagte der dünne Mann. »Ich fang schon an, das richtig zu mögen, als müsste das so sein.«
    »Sei bloß still«, entgegnete seine Frau. »Sag das ja nie mehr.«
     
    Es war schon spät am Abend, bewölkt und dunkel wie im Inneren eines Darms, als ein Wagen vor dem Zelt vorfuhr. Hillbilly war allein losgezogen, und Clyde war zu den Überresten seines Hauses zurückgekehrt. Als Sunset den Wagen hörte, hielt sie das aus irgendeinem Grund für ein böses Omen.
    Ben knurrte wütend. Sunset, die sich nie weit von ihrem Revolver entfernte, rückte das Holster an ihrer Hüfte zurecht, stand auf und trat in dem Moment aus dem Zelt, als die Scheinwerfer des Wagens erloschen. Ben rannte kläffend auf die Fahrerseite. Jemand saß auf dem Beifahrersitz, aber es war zu dunkel, um zu erkennen, wer es war. Sunset rief den Hund ein paarmal, und zu ihrer Überraschung gehorchte er. Er kam, setzte sich neben sie und hörte auf zu bellen.
    Ihr fiel ein, dass Pete einmal gesagt hatte, am gefährlichsten sei ein Hund dann, wenn er zu bellen aufhört und einen nur noch beobachtet. Sie bückte sich und streichelte Ben den Kopf.
    Ein Mann stieg aus dem Wagen und setzte seinen Hut auf. Dann kam er vorsichtig auf sie zu. Er sah aus, als sei er darauf gefasst, jeden Moment auf die Motorhaube springen zu müssen. »Der Hund beißt doch nicht etwa?« Es war Priester Willie.
    »Mich jedenfalls nicht.«
    »Ich bleibe lieber hier stehen.«
    »In Ordnung.«
    In dem Moment kam Karen aus dem Zelt. Sie verströmte immer noch einen angenehmen Geruch, und ihr dunkles Kleid und ihr langes schwarzes Haar, das ihr über die Schulter hing, verschmolzen so völlig mit der Finsternis, dass nur ein weißes Gesicht durch die Nacht zu schweben schien.
    »Es geht um die Leiche, die Sie mir gebracht haben«, sagte Priester Willie.
    »Das habe ich mir schon gedacht. Wen haben Sie dabei?«
    Der Mann auf dem Beifahrersitz streckte den Arm aus dem Fenster, dann den Kopf. Sie konnte ihn immer noch nicht richtig sehen. »Ich bin’s, Sunset«, sagte der Mann. »Henry.«
    Sofort hatte Sunset ein ungutes Gefühl. Sie hatte Henry nie gut gekannt, aber an dem Tag der Versammlung hatte sie durchaus begriffen, wes Geistes Kind er war. Außerdem wusste sie, dass er in Camp Rapture ein einflussreicher Mann war. Dass er jetzt hier auftauchte, bedeutete, dass der Priester die Sache mit der Leiche nicht für sich behalten hatte. Das überraschte sie nicht. Hillbillys kleiner Ausfall hatte vermutlich seinen Stolz verletzt. Und dass sie als Frau eine Stellung innehatte, in der sie ihn zum Stillschweigen anhalten konnte, hatte die Sache vermutlich auch nicht besser gemacht. Abgesehen davon war er ein Arschloch und hätte es

Weitere Kostenlose Bücher