Kahlschlag (German Edition)
oder dran denken, bis ich sechzehn oder so wäre, und dann würde ich warten, bis ich verheiratet wäre.«
»Hast du das so gemacht?«
»Nein.«
»Gar nicht so einfach zu warten, hab ich recht? Und man sollte es mit einem schlechten Mädchen machen, das man nicht heiraten will.«
»Glaub das nicht. Kein Mädchen und keine Frau ist schlechter, als du sie machst. Ich bin nicht dein Vater, ich bin auch kein Priester, aber vertrau mir. Führ ein anständiges Leben. Was du tust, hat Folgen, und die können gut oder schlecht sein. Das habe ich eben auch zu Marilyn gesagt.«
»Die Frau, die uns mitgenommen hat?«
»Ja.«
»Ist sie hübsch?«
»Sie ist so alt wie ich. Aber ja, ich finde sie hübsch.«
»Du hast aber nichts mit ihr angefangen, während ich geschlafen hab, oder?«
Lee gab ihm einen leichten Klaps. »Jetzt hör aber mal auf damit. Leg dich hin und sei still. Ich werde sehen, was wir als Nächstes machen.«
»Du gehst doch nicht weg?«
»Nein. Ich verlasse dich nicht.«
»Wie du schon gesagt hast, du bist kein Verwandter von mir. Du schuldest mir nichts. Du musst nicht bleiben.«
»Im Moment gibt’s für mich nichts Besseres zu tun. Vermutlich bleibe ich ein bisschen in deiner Nähe. Ruh dich aus. Aunt Cary und Uncle Riley braten später ein Huhn. Du kannst doch essen, nicht wahr?«
»Ich hab Hunger wie ein Bär.«
KAPITEL 21
Die Freiheit, einen eigenen Wagen zu haben, war berauschend. Deswegen und auch, weil es ihr ein ganz vernünftiger Plan zu sein schien – notfalls hätte sie sich ihn schöngeredet –, fuhr Sunset am nächsten Morgen nach Holiday. Sie wollte dort beim Gericht vorbeischauen und sehen, ob sie etwas über die Karten aus dem Grab herausfinden konnte.
Sie hatte sich das Registerheft durchgesehen und war zu dem Ergebnis gekommen, dass da kein Zusammenhang bestand. In dem Heft standen Notizen zu Fällen, aber nur wenige, da es noch ziemlich neu war. Sie nahm an, dass Pete die Karten einfach nur hineingesteckt und dann alles miteinander begraben hatte, vielleicht, um die Karten zu schützen. Ja, so musste es gewesen sein, da war sie sich ziemlich sicher. Ihre Aufgabe bestand jetzt darin, nach Holiday zu fahren und zu sehen, ob sie im Gericht etwas herausfinden konnte. Sie hatte vor, Hillbilly mitzunehmen und Clyde zu Zendo zu schicken, damit er sich das Land neben Zendos Acker anschaute und ihn fragte, ob er wusste, wem es gehörte. Ihr war klar, dass sie das auch tat, um mit Hillbilly allein zu sein, und das ärgerte sie. Sie ließ zu, dass ihre Lenden für sie die Entscheidung trafen. Es hieß immer, dass Männer mit dem Schwanz statt mit dem Kopf dachten, aber auch bei ihr war es nicht nur der Kopf, der das Denken erledigte. Es gefiel ihr nicht, aber sie kam auch nicht dagegen an. Im Gegenteil, bei dem Gedanken wurde ihr sogar ein bisschen schwindelig.
Sie würde Karen gleich in der Früh nach Camp Rapture fahren, wo sie den Tag mit Marilyn verbringen konnte. Marilyn würde das gefallen, und Karen vermutlich auch. Vielleicht würden die beiden nach Holiday fahren und sich einen Film anschauen. Wer weiß? Vielleicht würde sie sich sogar selbst einen Film anschauen. Oder zum Ölfest gehen, mit dem die Leute den Ölboom in Holiday feierten. Dass sich ein nettes, friedliches Dorf in ein Schlammloch voller Schläger, Lärm, großer metallener Bohrtürme und mit viel zu vielen Menschen verwandelt hatte, die wer weiß was alles miteinander trieben.
Das Wissen, dass sie jetzt ein eigenes Auto besaß, gab ihr ein ebensolches Gefühl von Macht wie der Revolver. Nur dass es sich noch besser anfühlte. Frei. Ob Männer sich wohl die ganze Zeit so fühlten? Die meisten zumindest?
Und sie hatte zwei Männer, die sie begehrten. Clyde, den sie nicht wollte. Und Hillbilly, den sie unbedingt wollte. Auf jeden Fall war es ein schönes Gefühl, begehrt zu werden, nachdem sie so lange die meiste Zeit nur im Haus eingesperrt gewesen war. Und wenn Pete sie begehrt hatte, war sie sich immer wie ein Sandsack vorgekommen, ein Sandsack, auf den er eindreschen konnte. Mit der Faust, mit dem Schwanz. Ohne Liebe und Begehren, wie sie es sich gewünscht hätte.
Vielleicht war jetzt nicht alles wundervoll, aber auf jeden Fall besser als zu Petes Lebzeiten. Wenn sie nicht wüsste, was sie Karen damit angetan und womit diese jetzt zu kämpfen hatte, könnte sie sich vielleicht mit der Idee anfreunden, jeden Tag einen Ehemann zu erschießen. Das hatte ihr schließlich eine Menge Türen
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