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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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geöffnet.
    All das ging Sunset durch den Kopf, während sie Ben kurz vor Einbruch der Nacht bei der großen Eiche in der Nähe der Straße fütterte. Das letzte bisschen Licht wurde rasch immer weniger, und die Staubkörner, die zwischen den Bäumen tanzten, sahen aus wie Locken dünnen blonden Haars. Sie atmete tief und genussvoll ein.
    Karen saß im Zelt und las ein Buch. Clyde hatte sich schließlich breitschlagen lassen und Hillbilly irgendwohin mitgenommen. Danach war er vermutlich zu seinem abgebrannten Haus gefahren und hatte sich unter seine Plane gelegt.
    Sunset liebte diese Tageszeit. Nur sie und der Hund. Selbst wenn sie nicht mit Hillbilly zusammen war und nur daran dachte, mit ihm zusammen zu sein, war das in diesem Moment besser, als wenn sie wirklich mit ihm zusammen gewesen wäre. So konnte sie ihrer Phantasie freien Lauf lassen.
    »Hallo«, sagte eine Stimme. Sunset fuhr herum, ließ Ben die Schüssel vor die Füße fallen und zog die Waffe aus dem Holster. Bevor sie sie ganz heraus hatte, schlossen sich Finger um ihr Handgelenk, Finger, die doppelt so groß waren wie ihre, und entwanden ihr mit einer blitzschnellen Bewegung die Waffe. Vor ihr stand ein Farbiger mit einem Schopf struppiger Haare und einem dichten Bart, breit wie ein Baumfuhrwerk und groß wie eine Pinie. Die Waffe lag auf seiner Handfläche. Ben fuhr hoch und knurrte. »Ruhig, mein Junge«, sagte der große Mann.
    Ben hörte auf zu knurren, winselte und schmiegte sich wie eine Katze an die Beine des Manns. »Sie brauchen keine Angst haben«, sagte der Mann. »Ich will Ihnen nix tun. Ich will nur reden.«
    »Bull.«
    »Genau.« Er gab ihr die Waffe zurück.
    Sie blickte auf Ben hinunter. »Toller Wachhund.«
    »Hunde mögen mich«, entgegnete Bull. »Vor allem, wenn ich nachts komm und mich mit ihnen anfreunde. Ein Hund ist treu, außer wenn er gern Kanincheninnereien frisst. Dann ist er nur so lange treu, bis er sich dran gewöhnt hat, dass er jede Nacht welche kriegt.«
    »Deshalb hatte er also kaum mehr Appetit.«
    »Er und ich sind jetzt Freunde.« Bull bückte sich, um Ben den Kopf zu kraulen. »Aber er ist ein guter Wachhund. Der hätt gespürt, wenn ich kein gutes Herz hätt. Dann hätt er sich nicht mit mir angefreundet nur wegen so’n paar Kanincheninnereien. Nicht alle Hunde spüren das. Manche mögen Kanincheninnereien, egal, von wem sie kommen, aber der hier ist nicht so.«
    »Und woher weißt du das?«
    »Weil mein Herz wie seins ist, gut und ehrlich.«
    »Meine Güte. Du bist der größte Mann, den ich je gesehen habe.«
    »Mein Bruder war größer, als wir Kinder waren. Ich glaub, der wär noch größer geworden, wenn er groß geworden wär, aber er ist im Sabine River ertrunken, beim Schwimmen. Ich bin zwei Meter zehn, nur dass Sie’s wissen. Ich weiß nicht, was ich wiegen tu, aber Sie würden sicher nicht wollen, dass ich auf sie drauffall.«
    »Warum hast du dich mit meinem Hund angefreundet?«
    »Ich hab ihn ein bisschen in den Wald gelockt. Weil ich wollte nicht einfach hier auftauchen, und dann geht er auf mich los. Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    »Zu spät. Du hast mich ganz schön erschreckt.«
    »Sie waren gut zu Smoky.«
    »Ich habe deine Nachricht gefunden.«
    »Reden kann ich viel besser als schreiben. Ich hab das nie gelernt, auch nicht buchstabieren, nur was ich so aufgeschnappt hab. Vieles muss ich einfach raten. Ich war mir nicht mal sicher, ob ich das geschrieben hab, was ich gemeint hab. Smoky und ich, wir waren lange Zeit wie Brüder. Dann ist er ein bisschen reizbar geworden. Nicht schlimm, aber eben reizbar. Was Sie gemacht haben, das gibt’s nicht oft, dass irgend nen Weißer so was für mich oder solche wie unsereins macht. Aber Sie haben’s gemacht, und das rechne ich Ihnen hoch an. Drum bin ich hergekommen, weil ich wollte Ihnen was erzählen.«
    »In Ordnung.«
    »Ich hab nen Krug Schnaps mitgebracht. Steht auf der anderen Seite von dem Baum da, wo ich gewartet hab. Wollen Sie welchen?«
    »Ich habe so etwas noch nie getrunken.«
    »Kann Ihnen ganz schön Kummer machen, wenn Sie nicht richtig damit umgehen. Aber wenn Sie richtig damit umgehen, tut er Ihnen auch richtig gut.«
    »Ich hole uns Gläser.«
     
    Als Sunset zum Zelt kam, stand Karen an der offenen Klappe. »Wer ist das, Mama?«
    »Ein Freund.«
    »Ein farbiger Freund?«
    »Er ist farbig, und er macht einen freundlichen Eindruck.«
    »Bist du sicher, dass er ungefährlich ist? Er sieht aus wie ein Riese.«
    »Er ist auch

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