Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kain

Kain

Titel: Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
Vom Netzwerk:
nicht. Durchaus möglich, dass der Pakt, der manchen Leuten zufolge zwischen Gott und Menschen besteht, nicht mehr als zwei Paragraphen enthält, nämlich, du dienst uns, ihr dient mir. Nicht zu leugnen ist, dass die Dinge sich sehr geändert haben. Früher erschien der Herr den Menschen leibhaftig, also aus Fleisch und Blut, man sah ihm an, dass es ihm eine gewisse Genugtuung bereitete, sich der Welt zu zeigen, Adam und Eva können das bezeugen, denn sie haben von seiner Gegenwart profitiert, Kain kann ebenfalls ein Lied davon singen, wenn auch hinsichtlich einer unangenehmen Situation, denn die Umstände, damit meine ich natürlich den Mord an Abel, waren nicht gerade geeignet, besonderen Grund zur Freude auszudrücken. Nun aber versteckt der Herr sich in Rauchsäulen, als wollte er nicht gesehen werden. Wir als einfache Beobachter der Ereignisse sind der Ansicht, er schämt sich dafür, dass er so manches Mal eine traurige Figur abgegeben hat, wie im Fall der unschuldigen Kinder von Sodom, die im göttlichen Feuer verbrannten.

9
     
    D er Ort ist derselbe, nur die Gegenwart eine andere. Kain hat die Stadt Jericho vor Augen, die zu betreten man ihm aus Gründen militärischer Sicherheit nicht gestattet hat. Man rechnet jeden Moment mit dem Angriff durch Josuas Armee, und obwohl Kain beteuerte, er sei kein Israelit, verweigerte man ihm den Zutritt, vor allem weil er keine zufriedenstellende Antwort hatte geben können auf die Frage Wer bist du dann, wenn kein Israelit. Israeliten, so etwas hatte es zu der Zeit, als Kain geboren wurde, noch nicht gegeben, und als es sie sehr viel später dann gab, mit den uns nur zu gut bekannten katastrophalen Folgen, ließen die damaligen Volkszählungen Adams Familie außer Acht. Kain war kein Israelit, aber auch kein Hethiter, Amoriter, Pheresiter, Heviter oder Jebusiter. Aus dieser Identitätsungewissheit gerettet wurde er von einem Hufschmied aus Josuas Armee, der sich in Kains Esel verliebte, Ein schönes Exemplar hast du da, sagte er, Er begleitet mich, seit ich das Land Nod verließ, und hat mich noch nie im Stich gelassen, Wenn das so ist und du einverstanden bist, nehme ich dich gegen Kost als meinen Gehilfen, unter der Bedingung, dass du mich ab und zu deinen Esel reiten lässt. Dieses Geschäft schien Kain vernünftig, aber er wandte noch ein, Und danach, Was danach, fragte der andere, Wenn Jericho gefallen ist, Mann, Jericho ist erst der Anfang, es kommt ein langer Eroberungskrieg auf uns zu, und da werden Hufschmiede genauso gebraucht wie Soldaten, Wenn das so ist, bin ich einverstanden, sagte Kain. Er hatte von einer berühmten Hure gehört, die in Jericho lebte, einer gewissen Rahab, deren Beschreibung durch jene, die sie kannten, ihn nach einem Schäferstündchen zur Belebung seines Blutes lechzen ließ, denn seit der letzten Nacht mit Lilith hatte er nie wieder eine Frau unter sich gehabt. Man hatte ihn nicht nach Jericho hineingelassen, doch verlor er nicht die Hoffnung, mit ihr zu schlafen. Der Hufschmied gab allgemein bekannt, er habe einen Gehilfen nur gegen Kost engagiert, und so kam es, dass Kain Mitglied des Hilfsdienstes für Josuas Armee wurde und unter der gestrengen Anleitung seines Chefs die wundgescheuerten Stellen der Esel versorgte, Esel und nichts als Esel, denn die eigentliche Kavallerie als Waffengattung war noch nicht erfunden. Nach einer von allen als viel zu lang empfundenen Wartezeit erfuhr man, dass der Herr endlich zu Josua gesprochen und ihm Wort für Wort wie folgt befohlen hatte, Sechs Tage lang sollst du mit deinen Soldaten ein Mal am Tag um die Stadt ziehen, sieben Priester sollen vor der Bundeslade gehen, ein jeder eine Posaune aus dem Horn eines Widders blasen, am siebten Tag gehet sieben Mal um die Stadt, wobei die Priester das Posaunenhorn blasen, und wenn sie einen langen Ton blasen, soll das Volk mit aller Kraft schreien, und dann werden die Mauern der Stadt einstürzen. So geschah es, trotz der nur allzu berechtigten Skepsis. Am Ende des siebten Tages dieses nie zuvor geübten taktischen Manövers stürzten die Mauern tatsächlich ein, das Volk lief in die Stadt, ein jeder durch die Öffnung, die er gerade vor sich hatte, und Jericho wurde erobert. Sie zerstörten alles, was sich in der Stadt fand, töteten mit dem Schwert Männer und Frauen, Junge und Alte, und ebenso die Ochsen, Schafe und Esel. Als Kain endlich die Stadt betreten konnte, war die Hure Rahab mit ihrer ganzen Familie verschwunden, in Sicherheit gebracht zum Dank

Weitere Kostenlose Bücher