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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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Alain, Eiko und Doria folgten. Sie seilten sich behutsam Hand über Hand an der Sicherungsleine ab. Kurz darauf hangelten sich die Soldaten weisungsgemäß wieder hinauf. Besonders Eiko war erleichtert. Das Unabsehbare ihrer Situation trieb weitere Blüten.
    Casquero winkte einen letzten Gruß und drehte den Hubschrauber in den Wind. Die Drei winkten zurück, während die Rotorenihnen warme Luft in die Gesichter peitschten. Casquero gab Schub, die Gasturbine heulte auf und der Hubschrauber flog davon. Das Geräusch des Schlagens seiner Drehflügelblätter wurde rasch leiser, verklang schließlich ganz.
    „Da sind wir“, sagte Eiko aufgeregt. Sie strich sich ihren durchgeschwitztem Khakioverall glatt und ein paar klebrige Strähnen zurück. Die Tropenhitze war niederschmetternd, die Stickluft wie Tinktur. Sofort hingen überall um sie her surrenden Wolken aus Blutsaugern.
    „Wo immer das ist“, sagte Doria und drehte sich einmal um sich selbst. Ihre Piloteninstinkte halfen nicht. Sie hatte bereits jetzt die Orientierung verloren. Dieser Urwald: labyrinthisch, dunkel, feuchtglänzend. Das Zirpen der Zikaden. Das Plätschern eines Baches, der eine im Dickicht verborgene Felsformation hinablief und in ein Becken floß, an dessen Rand ein Baum mit mächtigen Luftwurzeln stand. Der Boden rings war bedeckt mit modernden Blättern und seltsamen phosphoreszierenden Pilzen. Ranken und Rebengewächse wanden sich um meterdicke Stämme, hingen von Ästen. Eine bunte Eidechse blähte ihre Kehlklappen und gab zischende Schnalzlaute von sich. Und erst die Bäume: Ihre Stämme waren ocker- und malvenfarben gefleckt; sie hatten riesenhafte, tropfnasse Blätter und erhoben sich turmhoch aus dem Waldboden. Dann Donnergrollen vom Westen. Die Luft blieb ruhig, wie in einem geschlossenen Raum.
    „Reizender Ort.“ Dorias Blick wanderte hinauf; sie sah bunte Vögel in den Baumwipfeln leuchten und schöpfte tief Atem. „Wo genau liegt diese Pyramide?“
    Alain benutzte bereits sein Pad. Eine Karte erschien. Genauer gesagt ein leeres Areal mit ein paar Niederlassungen, von denen sie allerdings zu weit weg waren, um sie in dieser Zoomstufe zu sehen. Ein
Galileo
-Erdpositionssatellit berechnete einen Kurs, den der Franzose ihnen wies. „Diese Richtung. Nicht einmal zweihundert Meter.“
    Doria zog die Stirn kraus. Zweihundert Meter in diesem Gelände würden nicht leicht sein. „Sind Sie auch sicher?“
    Alain konnte die Frage kaum glauben. Natürlich war er nicht sicher. Sein Pad berechnete Distanz und Richtung auf Grundlage ihrer aktuellen Position und Galdeas Koordinaten. Da sie aber einen Ort suchten, der noch nicht entdeckt worden war, war dies ganze Unterfangen spekulativ. Er sagte nichts. Doria seufzte nur.
    Eiko schob sich an ihnen vorbei, ging etwas, stoppte und starrte in den schwitzenden, brütenden Dschungel. Sie wich einen Schritt zurück. Viele Gefahren lauerten hier – Handteller große Spinnen, diverse Käfer und Reptilien, beißendes, stechendes Geziefer, giftige Baumfrösche und Skorpione. Eiko erfaßte Rastlosigkeit – eine Vorstufe von Panik. Doria trat zu ihr. „Beeindruckend, was? Achten Sie aber darauf, wohin Sie treten.“ Sie grinste und begann dann, eine Schneise durch das Dickicht zu schlagen.
    Sie bewegten sich in Schlangenlinien, um Felsen, abgestorbenen Bäumen und anderen Hindernissen auszuweichen. Über ihnen wölbte sich einschüchternd das Blätterdach. Ihren verschlungenen Weg markierten zerdrückte Schößlinge und Ranken, zerbrochene Zweige und zertrampelte Pflanzen. Der sumpfige Boden schmatzte bei jedem Schritt. Sie stolperten über verfaulte Baumstümpfe und einbrechendes Unterholz; Parasitenpflanzen schlängelten sich um ihre Arme und griffen nach ihren Knöcheln. Dornenranken zerkratzten ihnen Hände und Wangen; verborgene Tiere flohen vor ihnen in das Dickicht. Bronzefarbene und weiße Schlangen glitten behende durch das Laub. Winzige, glatzköpfige Affen mit riesigen Augen musterten sie von den Wipfeln, ehe sie mit Riesensprüngen wild kreischend im Wald verschwanden.
    Es ging nur mit einiger Schwierigkeit voran. Immer wieder mußten sie anhalten und prüfen, ob ihre Richtung stimmte. Eiko sah man an, wie sehr es sie anstrengte. Ihr Hals glänzte vom Schweiß. Sie stakte durch das Unterholz und wich immer wieder erschrocken vor irgend etwas zurück. Doch sie ging weiter, schob Blätter und Zweige aus dem Weg.
    Schließlich stolperten sie nacheinander aus einem Immergrünendickicht – und

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