Kairos (German Edition)
finden.“
„
Enriqu! Ki ´baja kina!
“
„Das reicht“, sagte Doria ruhig, aber drohend.
„
Enriqu!
“, rief der kleine Mann und begann, auf und ab zu hüpfen, dann zu tanzen. Als er Doria mit seinen kühlen, trockenen Fingern berührte, stieg ihr Zornesröte ins Gesicht. Sie stieß ihn weg. „Halt die Klappe und hilf uns!“
Er schien verstanden zu haben. Er machte sich ans Werk, suchte und fand in Brusthöhe einen Spalt in dem Mauerwerk aus Steinquadern. Ein Klumpen Tausendfüßler quoll aus ihm hervor, undEiko verzog angewidert das Gesicht. Enriqu nahm die Scheibe, die er um den Hals trug, in die Hand – sie glomm jetzt bläulich – und hielt sie etwas von dem Spalt entfernt hoch. Ein tiefes Summen setzte ein. Man sah deutlich, daß irgend etwas, eine rätselhafte Kraft, an der Scheibe zog. Der Machiguenga ließ los; sie schwebte stracks in den Spalt hinein, um den her darauf ein Lichtstrudel entstand. Kurz verschwand Enriqu, um als Schemen ohne Farbe und Kontur vor dem Wirbel wieder aufzutauchen.
„Ha!“, entfuhr es Alain triumphierend, mit einem Arm seine Augen vor der Helligkeit schützend.
„Da hast du deinen Beweis“, sagte Eiko.
Dann, blitzartig, überzog sie der Wirbel und verschluckte sie in einem orkanartigen Sog.
Die Landung war genauso hart, wie von ihnen gedacht, aber nur halb so schmerzhaft. Doria war zuerst auf den Beinen. Alle sahen sich fieberhaft um. Das Pyramideninnere war höhlenartig tief und hoch und in das unwirkliche Licht des Wirbels getaucht. Der gestampfte Boden war wie gefegt und eben; die Luft roch abgestanden.
Sie sahen den Indianer inmitten eines Steinkreises auf dem Boden kniend, wohl betend.
„Was weiter?“, fragte Doria. „Keine Spur von diesem Som´ ai-Schiff. Wie lautet der neue Plan?“
„Genauso wie der alte. – Abwarten.“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Na spitze...“, murmelte sie.
Enriqu saß jetzt auf der Erde, die Augen zu, die Arme ausgestreckt. Er öffnete die Augen, und in ihnen stand in Erwartung eines großen Ereignisses nervöse Freude. Er stand auf und kam, gegen das Licht anblinzelnd, auf sie zu.
„Was jetzt?“, fragte ihn Doria.
„
Ke´naru´sái
.“
„Was immer“, seufzte sie.
Eiko suchte an den Steinwänden nach Zeichen oder Hinweisen. Die Wände waren bedeckt mit schwarzen Flecken aus Pilzen und Moosen. Aus den Fugen drangen Wurzeln.
Eiko ging weiter. Auf dem Boden innerhalb des Steinringes fand sie eine Inschrift. Sie warf einen langen prüfenden Blick darauf. Ein Wellensymbol tauchte öfter auf. Nach ein paar Sekunden intensiver Konzentration und hastigen Lippenbewegungen gab siees auf. Diese Zeichen waren bestimmt sehr informationsintensiv, ihr aber unbekannt.
Alain, auch umhergehend, stoppte und warf einen Blick nach oben. Über ihm gähnte die Höhlung der Pyramidenspitze. „Hier ist nichts“, rief er den Frauen zu. „Aber ich bin sicher, wir sind auf dem richtigen Weg.“
„Natürlich sind wir das“, versetzte Doria gereizt. „Ich weiß auch schon, was als nächstes passiert: wieder eines ihrer ›Kunststücke‹. Etwas entsteht vor unseren Augen scheinbar aus dem Nichts, und wir werden wieder einmal völlig baff sein. Ein Volk von Löffelverbiegern, diese Som´ai. Alain, was denken Sie?“
„Das wissen Sie.“
„Etwas, wie ›was für ein infantiles Gerede‹?“
Alain war nicht nach Sprüchen. Auch nach keiner Retourkutsche. Doria war zynisch bis ins Mark, und das störte ihn zunehmend. Gefühlsmäßig reagierend sagte er: „Doria, Ihre übertriebene Lässigkeit und ständige Passivität fallen mir auf die Nerven. Jeder weiß um Ihre Probleme. Hören Sie auf, die Teilnahmslose zu geben und kommen endlich runter.“
Doria erwiderte nichts. Sie schob ihr Kinn vor. Plötzlich hing Spannung wie Rauch in der Luft.
Alain wich zurück. „Was wollen Sie tun? Mich schlagen wie den Indianer?“
„Vielleicht – ja“, sagte Doria ganz nüchtern.
„Das wagen Sie nicht.“
Eiko ging dazwischen. „Hört auf. Habt ihr vergessen, weshalb wir hier sind?“
Doria blieb vor Eiko stehen und fixierte über deren Schulter Alain. „Was sagten Sie, Professor.“ Sie sprach sachlich, aber mit drohendem Unterton.
„S-Sie haben mich verstanden.“
„Wiederholen Sie es.“
Eiko hob die Arme. „Was wollt ihr, euch prügeln?“
„Nein.“ Doria sah kurz zu Eiko. „Ich reiße ihm den Kopf ab und nutze ihn als Nachttopf.“
Sie drängte vorwärts, gegen Eiko, die versuchte, sie
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