Kairos (German Edition)
Urviech in vier gleich große Teile.
„Nicht feuern“, kam es als Mantra über Kommandokanal. „Spart eure Munition für sichere Treffer.“
Zustimmung, widerwillig, die Adressanten innerlich bebend. Was waren hier schon sichere Treffer. In früheren Kämpfen strahlte Riviera wie die anderen ein Adrenalin gesättigtes Selbstbewußtsein aus, das an Arroganz grenzte. Jetzt nicht.
Die Shumgona setzten sich wie ein Mann in Marsch. Abertausende schritten Seite an Seite in einer einzigen, leicht gebogenen Reihe, die sich scheinbar endlos nach beiden Seiten erstreckte. Ihre perfekte Symmetrie und Choreographie war imposant. Sie erschien als der Endeffekt des Unterganges.
„Feuer aufnehmen! Schießt,
schießt
!“ Gefechtskanal.
Riviera schoß auch, spürte, wie ihm die Rückstöße den Kolben ans Schlüsselbein stießen. Endloses, aggressives, ohrenbetäubendes Stakkato von 23-mm-Zwilling-MGs. Auswurfschächte spuckten heiße Messinghülsen. Die MG-Salven fraßen sich in den Sand und die Felsen, bedeckten alles mit Feuer. Der Projektilsturm peitschte wieder Mengen von Staub in die Luft. Riviera sah nichts mehr. Dennoch schoß er weiter, darauf aus, einem Rostschädel ein ultrahochbeschleunigtes Hartmantelgeschoß ins Großhirn zu jagen. Seine Zielautomatik warf noch immer keine Feinderfassung aus, lieferte nur sich sinnlos überlagernde Zielgebietsrasterungen in Form umherirrender grellroter Ovale.
Etwas öffnete den Staub und die Finsternis dahinter. Ein Hindurchleuchten erreichte die laseroptische Gefechtsplanung von Rivieras Neurohelmautomatik als vages, sich rasch konkretisierendes Orange. Riviera stoppte zu feuern, reckte den Hals. Neue Lichter tauchten auf. Mehr Form und Intensität. Sie bewegten sich auf die Soldaten zu. Trafen Projektile oder Granaten ein Licht, blendete es grell auf. Rivieras Helmsensoren reduzierten im Sekundenbruchteil den Blendgrad. Stirnrunzeln.
Was ist das?
Keine Antwort. Deutete er die Dialogfetzen über Taktikkanal, wußte es keiner. Die Lichter kamen näher.
Riviera hatte einen Einfall. Er hob seinen Waffenarm und gab ein paar kontrollierte Feuerstöße ab. Das Licht brannte auf, schoß vor und fiel zurück, ehe es schwächer wurde.
Und er begriff:
Schutzschilder. Die wehren alles so leicht ab, als bewürfen wir sie mit Kaugummis.
Da erwiderte der Feind aus Staub und Qualm das Feuer. Der Strahlenbeschuß war präzis, durchschlagend und tödlich. Die Shumgona feuerten auf alles, was sich bewegte.
Soldaten aus Rivieras Kompanie ohne Kampfanzug schrieen gequält auf und verstummten abrupt.
„Raus aus den Gräben! Stellungen räumen!“
Nahkampf.
Riviera gab eine letzte Stottersalve ab, schaltete auf automatische Schußfolge, dann auf Schnellfeuer, schoß, während sein Kopf in alle Richtungen ruckte. Die kevlarlegierte Wirbelsäule des titanverstärkten Stützskelettes seines Anzuges knackte bei der raschen Bewegung. Riviera sah sich um. Was er brauchte, war eine neue Deckung. Die ersten den Verteidigungslinien und - gräben vorgelagerten Stellungen standen unter Dauerbeschuß und waren kurz davor, aufgegeben zu werden. Frauen und Männer der Kampftruppen flohen, getrieben vom Überlebensinstinkt, in alle Richtungen.
„Sperrfeuerriegel plazieren!“, kam die Meldung. Riviera sprintete los. Servomotoren stützen seine Bewegungen und vermitteltenscheinbar Lebendigkeit und Kraft. Er lief quer über das Schlachtfeld.
Es war schlimm. Kein Kampf im ursprünglichen Sinn, zu einseitig dafür. Aus Sicht der Rostschädel mochte es ein kleines, chirurgisch präzises Übungsgefecht sein, für die Verteidiger hingegen eine Schlächterei. Das Chaos war immens und mitreißend in seinem entsetzlichen Ausmaß. Allem haftete etwas abrupt Endgültiges und – seltsam – Unfaires an.
Das Wort Verrat fiel Riviera ein. Verraten vom Anspruch, die Einzigen, Besten im Kosmos zu sein.
Er lief um sein Leben.
Die wenigen, aus rückverlegten, provisorischen Posten operierenden Verteidiger schossen Antineutroniumnadeln auf die Angreifer. Funken aus grellem weißem Licht, die sich rasant in die Höhe rankten, um als Feuerregen niederzugehen. AN-Nadeln waren knapp. Jeder Kampfgruppe gebot nur über ein paar Dutzend. Der Geschoßteppich zeigte Wirkung. Die hochexplosiven Nadeln durchdrangen die Schilde und Rüstungen, danach die Körper. Etliche Shumgona starben.
„Gut! Nagelt sie fest.“
Riviera wußte, Widerstand war zwecklos. Sie würden tot sein, ehe die Sonne über die Berggipfel stieg.
Einer
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