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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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der Luftkissenschützenpanzer schwebte heran. Gerade, als Riviera hinsah, blitzte es unnatürlich hell auf. Ein lindrosa Streifen ionisierter Luft raste dicht an Riviera vorbei. Stechender Ozongeruch stieg ihm in die Nase, ehe die Vakuumröhre, die die Strahlenwaffe geschnitten hatte, donnernd kollabierte. Der Beschuß verbrannte jene Gruppe Rostschädel mitsamt Drachen, die den Felsen mit der Artillerie am nächsten war. Die Shumgona schlugen zurück. Der Schützenpanzer, der gefeuert hatte, erlitt mehrere Treffer, die sein Prallfeld durchstießen und schwarze Schrammen in die Seitenplatten ritzten. Dann erfolgte ein Direkttreffer, der das schwere Fahrzeug förmlich vaporisierte. Das Ultrafiberkarbon der Hülle und deren Speziallegierung hatten keine Aussicht, dem Beschuß standzuhalten. Der Strahl hatte den Panzer durchschnitten, eine glasierte Spur in den Sand gezeichnet und danach eine Haubitzenstellung zerstört.
    Riviera schüttelte über ein solches Zerstörungspotential nur den Kopf. Es gab nichts, was er tun könnte, nichts.
    Ein Granatennachschubpack ging in einem Flammenball hoch. Die Druckwelle schleuderte vier in der Nähe kauernde Soldatengegen eine Steilwand; sie blieben reglos liegen. Riviera sah im Brustkorb von einem von ihnen ein schwelendes Loch von der Größe einer Zweieuromünze klaffen. Darauf erwischte es die unter grau-braunen Tarnplanen mit Wüstenfleckenmuster liegenden Boden-Boden-Batterien, die die vier Männer hatten bedienen sollen.
    „Leichte Artillerie, Stationen besetzt halten, Feuer halten!“
    Riviera hetzte unablässig feuernd weiter. Etwas traf sein rechtes Bein. Er sah seinen Unterschenkel blutspritzend sich auflösen. Sein Bein wurde abgerissen. Riviera registrierte es. Aber kein Schmerz. Das Med-Programm seines Anzugs wurde aktiv, band die Blutung ab und verabreichte seinem Träger eine Schmerzmittelinjektion. Riviera robbte hinter einen Wall und inspizierte den Stumpf. Lose Kabelenden hingen heraus. Zuleitungen der Sensoren und den Hydraulikkolben im Knie- und Fußgelenk waren durchtrennt. Sicherheitsventile und Siegelmasse hielten.
    Riviera, praktisch kampfunfähig, sank auf das gesunde Knie und riß seine Schulterwaffe hoch. Im Zielen traf ihn etwas Hartes am Rücken. Was ihn getroffen hatte, ließ ihn erstarren. Da lag ein menschlicher Arm, noch immer im Panzer steckend und präzise an der anfälligen Schultergelenknaht abgetrennt. Blut pulste aus dem Stumpf und versickerte im Boden.
    Riviera prüfte die Situation. Die meisten der Schädel hatten ihre Kanonen weggesteckt (sie konnten sie wie durch Magie in ihrem Unterarm verschwinden lassen) und schwangen jetzt etwas wie eine Florettklinge, eine langgezogene Hieb- und Stichwaffe, dessen Klinge leuchtete, als wären sie vom Vollmondlicht erhellt.
    Die Schädel begannen – Riviera blinzelte gegen den Schrecken an – die gefallenen Menschen und jene, die sich noch im Staub wanden, zu enthaupten.
    Rostschädel – rollende Köpfe.
Skulls.
    Riviera hörte irgendwen dieses Wort über Einsatz-Kom schreien. Er sah sich hektisch um. Männer und Frauen des mobilen Chirurgenkorps hetzten über das Schlachtfeld. Sie konnten nichts tun, allenthalben die Wunden mit einer schnell aushärtenden Paste aus ihren Tornistern bedecken und weiterhetzen.
    Tröstende. Leichenschauer.
Riviera erfaßte es entsetzt. Er begriff: außer ihm war kaum wer am Leben. Er wußte nicht, ob zum Segen. Wohl nicht.
    Das Gemetzel war beispiellos, ebenso der Sieg der Skulls. Riviera kam nicht mehr auf die Beine. Ein Moment grenzenloser Klarheit, wie der Blick in den wolkenlosen Mitsommerhimmel. Es war zu Ende. Sein Körper begriff es, sein Verstand, und auch sein zügelloser, schon im Emporschwingen begriffener Geist.
    Dann trat ein Shumgona zu ihm, seine Klinge lässig schwingend.
    „Hey.“ Riviera rappelte sich auf. Er nahm seinen Helm ab. Der Skull hob die Klinge. Riviera sah in ihrem Leuchten und Funkeln das Licht einer fernen Welt, eigentlich wunderschön ... Ihm war, als spürte er, wie sich die Erde um ihn drehte, als wäre die Realität etwas Schlüpfriges, Glattes, das ihm immer wieder entglitt, wenn er sie fassen wollte. Er sah Dinge. Sein Verstand erklärte ihm, daß es an der Ausschüttung von Neurotransmittern wie Adrenalin, Serotonin und Noradrenalin läge, die eintritt, wenn man stirbt.
    Sein Anzugsalarm schrillte. Es stank nach heißem Metall, geschmolzenem Hartplastik und verbranntem Fleisch.
    Seine Retinagraphik blinkte auf und wurde

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