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Kaiserhof Strasse 12

Kaiserhof Strasse 12

Titel: Kaiserhof Strasse 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Senger
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ahnte, daß das auf ein angenehmes Erlebnis hinauslief. Und so war es auch. Ohne viele Worte - ich sprach kein Russisch, und mit den wenigen deutschen Worten, die sie kannte, ließ sich auch nicht sehr viel erklären - kamen wir uns unterwegs schnell näher. Aber da wir mit Küssen und Anfassen nicht genug hatten, brauchten wir nun auch einen ungestörten Platz. Ich erinnerte mich, daß in den Grünanlagen des Mains zwischen der Neuen und der Obermainbrücke einige durch Holunderbüsche gut abgeschirmte Bänke standen. Dorthin gingen wir. Hier hatte ich schon einmal mit Ionka eine Nacht verbracht, und es war von hier nicht mehr weit bis zum Lager in der Uhlandstraße.
    Plötzlich hörte ich in unmittelbarer Nähe Schritte und Stimmen. Erschrocken fuhren wir auseinander und brachten hastig unsere Kleider in Ordnung. Jetzt sahen wir auch, was wir vorher nicht bemerkt hatten, daß knapp fünf Meter von uns entfernt, nur durch eine dichte Hecke getrennt, sich noch ein anderes Pärchen geliebt hatte, aber in dem Augenblick von einer Polizeistreife überrascht worden war.
    Während die Beamten sich mit den Ausweispapieren der beiden beschäftigten, zog ich die Russin schnell und leise davon. Wir liefen durch die Büsche auf einen Parallelweg und gelangten, von den Polizisten unbemerkt, an der alten Stadtbibliothek wieder auf die Uferstraße.
    Eine Ausweiskontrolle hätte für uns beide zur Katastrophe geführt. Doch meine Begleiterin schien die Gefahr, in der wir uns befunden hatten, gar nicht richtig erkannt zu haben. Sie war fröhlich und gesprächig und wollte in einer Toreinfahrt der gut verdunkelten Uhlandstraße das Spiel fortsetzen. Wir hatten noch über eine halbe Stunde Zeit. Aber für diesen Abend war mir alle Lust vergangen. Ich versprach der enttäuschten Russin, sie, sobald es ging, wieder nach Hause zu begleiten, und brachte sie an den Eingang des Lagers, wo sie sich bei dem alten Nachtwächter zurückmeldete.
    Aber ich bekam keine Gelegenheit mehr, sie noch einmal zu sehen. Andere russische Frauen warnten Papa. Sie sagten, diese Russin sei bestimmt nicht zwangsverschleppt worden, sondern habe sich freiwillig nach Deutschland gemeldet, weil sie in Sewastopol mit deutschen Offizieren verkehrt sei, weshalb man sie in ihrer Heimatstadt verachte und anfeinde. Ihre Zwangsverpflichtung nach Deutschland sei eine Flucht vor den eigenen Landsleuten gewesen. Die Frauen waren überzeugt, sie würde die anderen Lagerinsassen bespitzeln. Außerdem berichtete ein älterer Schlosser, dem diese Russin bei der Arbeit zugeteilt war, sie habe ihm erzählt, ihr Mann sitze aus politischen Gründen in einem sowjetischen Zuchthaus, ihr Bruder kämpfe in der Wlassow-Armee gegen die Russen und sie selbst wünsche, die Deutschen würden den Krieg gewinnen.
    Von da an nahm Papa sie nicht mehr mit in die Kaiserhofstraße. Es war ein großes Glück für uns, daß sie zu den ersten der Frauen gehört hatte, die zu uns in die Wohnung gekommen waren, denn zu dieser Zeit hatte er es noch nicht gewagt, in ihrer Gegenwart Radio Moskau anzustellen. Auch die Gespräche beim Abendessen waren politisch noch recht harmlos. Es war also naheliegend, daß Papa von dieser Russin denunziert worden war, der er so deutlich sein Vertrauen entzogen hatte und die sich dafür rächte.
    Eine Stunde mußte er in der vergitterten Zelle warten, bis man ihn ein zweites Mal holte. Er wußte genau, wie spät es war, er konnte es auf seiner Taschenuhr ablesen, denn ihm war nichts weggenommen worden. Man brachte ihm auch etwas zu trinken, und man schlug ihn nicht und wandte auch keine anderen körperlichen Pressionen an, um ihn zum Reden zu bringen. Das war bei einem Dreiundsiebzigjährigen wohl nicht mehr nötig. Man behandelte ihn - wenn dieser Ausdruck auf die Gestapo überhaupt anwendbar ist - korrekt.
    Jetzt erst, bei der zweiten Vorführung, begann das eigentliche Verhör. Die Gestapoleute versuchten, ihn mit Drohungen zum Reden zu bringen, schrien ihn an oder versicherten ihm zynisch, er werde so lange in ihrem Verwahrsam bleiben, bis er Punkt für Punkt die Vorwürfe zugegeben oder entkräftet habe.
    Beim dritten Mal - wieder mußte er über zwei Stunden in der vergitterten Zelle im Keller warten - wurden ihre Drohungen noch massiver. Wenn er nicht die Wahrheit sage oder etwas verschweige, könne er sicher sein, ins Gefängnis oder sogar ins Konzentrationslager zu kommen.
    Zwischendurch forderte ihn ein Gestapomann auf, aus dem Bücherstapel am

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