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Kaiserhof Strasse 12

Kaiserhof Strasse 12

Titel: Kaiserhof Strasse 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Senger
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Inhalt des Verhörs mitzuteilen. Dann durfte er gehen. Zwölf Stunden hatte ihn die Gestapo festgehalten.
     
    Gegen neun Uhr am Abend schlurfte jemand die Treppe hoch. Atemlos horchten wir, ob es Papa sei. Er mußte es sein, wir kannten seinen schweren, müden Schritt. Heute war er noch schwerer und langsamer.
    Der Schlüssel ging im Schloß, und Papa kam ins Zimmer. Er ging behutsam auf Mama zu, beugte sich zu ihr nieder und küßte sie.
    Dann küßte er uns Kinder, eines nach dem andern, als wolle er uns dabei abzählen. Er nahm die Emailschüssel, stellte sie auf die Marmorplatte der Frisierkommode und setzte sich selbst auf den Stuhl an Mamas Bett. Er legte die Hände in den Schoß, ließ den Kopf nach vorne fallen und sackte in sich zusammen.
    »O Gott!« hauchte Mama leise - und wie auf ein Stichwort heulten wir los, alle miteinander.
    Papa war von den Toten auferstanden.
     

Bomben auf Sachsenhausen
    Im September 1944 fand um die Mittagszeit ein schwerer Angriff auf Frankfurt statt. Zu dieser Zeit arbeitete ich bereits als Betriebsleiter im Werk Süd von Fries Sohn in der Schulstraße in Sachsenhausen. Wir produzierten kriegswichtige Geräte aus den verschiedensten Metallen, in der Hauptsache aber Torpedobehälter für die Kriegsmarine und übermannsgroße Eisenbojen, die wie zwei gegeneinandergestellte Kegel aussahen und zur Markierung von Minensperrgürteln in der Nordsee verwendet wurden.
    Zu der Zeit, als es Fliegeralarm gab, befand ich mich bei einer Besprechung im Hauptwerk im Riederwald. Mit dem Fahrrad eilte ich in den Luftschutzbunker. Die bald einsetzenden Detonationen und Erschütterungen machten klar, daß der Angriff wieder einmal Frankfurt galt. Gespannt verfolgte ich im Bunker über Drahtfunk die Radiomeldungen und hörte, daß die amerikanischen Piloten ihre Bombenlast konzentriert über Sachsenhausen abwarfen.
    Sofort nach der Entwarnung fuhr ich mit dem Fahrrad in das Sachsenhäuser Werk. Eine halbe Stunde später war ich bereits dort und sah, was die Bomben angerichtet hatten. Eine Luftmine, die beim Explodieren einen so gewaltigen Druck erzeugt, daß er den Menschen im weiten Umkreis die Lungen zerreißt, hatte den provisorischen Luftschutzstollen auf dem Fabrikgelände getroffen. Dieser Unterstand diente den über achtzig im Werk Süd eingesetzten russischen Zwangsarbeiterinnen als Schutz gegen Bombenangriffe. Die Deutschen liefen bei Fliegeralarm in den nahen bombensicheren Bunker in der Schifferstraße. Für Fremdarbeiter war der Aufenthalt im Bunker verboten, sie mußten sich in dem Luftschutzstollen, den die kleinste Bombe durchschlagen konnte, unterstellen. Die Erdschicht darüber betrug knapp zwei Meter. Nicht einmal einer deutschen Aufsichtsperson mutete man den lebensgefährlichen Aufenthalt in diesem Provisorium zu. So war der Fliegeralarm die einzige Zeit, in der die Fremdarbeiterinnen unbeaufsichtigt waren. Ich habe selbst erlebt, in welch panischer Angst sich die Frauen dort befanden. Sie wußten sehr gut, daß jede Bombe, die den Stollen traf, ihren Tod bedeutete. Verzweifelt riefen sie, wenn die ersten Bomben einschlugen, nach ihrer Mamitschka, weinten, und viele beteten unablässig.
    Wenn der Bombenhagel zu schnell nach dem Alarm begann und der rettende Schifferbunker nicht mehr zu erreichen war, suchten einige wenige Deutsche, die sich verspätet hatten, in dem Stollen Schutz. So war es auch diesmal. Sechs Deutsche und achtundsiebzig Russinnen befanden sich darin, als die Luftmine einschlug. Alle vierundachtzig Personen waren auf der Stelle tot. Nur acht russische Frauen, die sich in Nebenräumen der Fabrik versteckt hatten, weil sie den Aufenthalt im Stollen für noch gefährlicher hielten, überlebten.
    Aus den Meldungen des Drahtfunks war meistens zu erkennen, ob die anfliegenden Bomberverbände Kurs auf Frankfurt hatten. War das nicht der Fall, ging ich bei Alarm zu den Russinnen in den Luftschutzstollen. Auch an diesem Morgen schien es, als ob der Angriff einer anderen Stadt gelten würde. Aus Bequemlichkeit wäre ich also in den Stollen gegangen. So habe ich es nur dem Zufall zu verdanken, daß ich nicht zu den Opfern dieses Bombenangriffs gehörte.
    Bereits am späten Nachmittag des gleichen Tages wurden die Bombenopfer durch eine Einheit des Technischen Notdienstes geborgen. Die Luftmine hatte den Eingang des Stollens getroffen. Als er nach einigen Stunden freigelegt war, konnte man fast ungehindert zu den Toten gelangen. Bei allen war der Tod durch Zerreißen der

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