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Kaiserhof Strasse 12

Kaiserhof Strasse 12

Titel: Kaiserhof Strasse 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valentin Senger
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Keller wurde ein ganzes Stück hochgehoben, Flaschen fielen um, Tassen und Teller klirrten, und das Licht ging aus. Alle schrien. Dann war Stille. Taschenlampen wurden angeknipst. Nach einer Weile setzte sich das Notstromaggregat in Gang, und die Birnen leuchteten wieder schwach. Eine dunkle Staubwolke hing in allen Kellerräumen, und die schwer atmenden und hustenden Menschen preßten sich feuchte Tücher vor Mund und Nase. Von ihrer Kommandobrücke in der Gasschleuse rief Frau Morschhäuser: »Gasmasken aufsetzen, bis sich der Staub verzogen hat!« Das war zwar ein blödsinniger Befehl, denn feuchte Taschentücher taten dieselbe Wirkung und waren weitaus bequemer, trotzdem folgten einige ihrer Anweisung. Kurz darauf war sie wieder zu hören, ihre Stimme klang wie die eines Rekrutenausbilders: »Meine Herrschaften, kein Grund zur Aufregung, in unserem Haus ist nichts passiert. In der Nähe muß ein Haus eingestürzt sein.«
    Die Eisentüren der Gasschleuse wurden weit geöffnet, bald surrten auch die Frischluftventilatoren, und allmählich zog der Staub ab. Mit Erleichterung hörten die Menschen im Keller, daß niemand verletzt oder gar verschüttet sei, und die Panikstimmung legte sich.
     
    Eine halbe Stunde später war Entwarnung. Alle liefen auf die Straße hinaus, um zu sehen, was passiert sei, aber es war nirgendwo etwas zu entdecken. Jeder ging schnell in seine Wohnung, um den unterbrochenen Schlaf fortzusetzen. Auch Papa und Paula gingen, immer noch etwas benommen, über den Hof ins Hinterhaus. Dessen linke Hälfte war bereits einige Wochen zuvor von einer Brandbombe getroffen worden und ausgebrannt. In der rechten Hälfte wohnten zu dieser Zeit nur noch Papa und Paula, die anderen Mitbewohner hatten sich evakuieren lassen. Da schrie Papa auf, stolperte, und Paula konnte ihn gerade noch festhalten. In der Dunkelheit wäre er beinahe in ein großes Loch gefallen, das plötzlich im Hof entstanden war. Mit ihren Taschenlampen versuchten sie, in das Loch hineinzuleuchten, sahen aber nichts.
    Sie vermuteten, daß wahrscheinlich an dieser Stelle das Bruchstück eines abgeschossenen Bombenflugzeuges eingeschlagen sei. Doch als sie am anderen Morgen zum Fenster hinausschauten, stellten sie mit Entsetzen fest, daß das Loch im Hof fast kreisrund war und einen Durchmesser von etwa zwei Metern hatte.
    Am Nachmittag entdeckten Spezialisten vom Technischen Notdienst in dem Loch eine Zehnzentnerbombe, den schwersten Bombentyp, der im Luftkrieg gegen Deutschland verwendet wurde. Die Bombe hatte unmittelbar neben dem Luftschutzkeller einen Hohlraum durchschlagen und sich noch drei Meter tief in das Erdreich gebohrt, ohne zu explodieren. Andernfalls wäre keine Maus mehr aus dem Keller herausgekommen, und von den Häusern 10, 12 und 14 samt ihren Hinterhäusern wäre kein Stein mehr auf dem andern geblieben.
    Bis das Haus Kaiserhofstraße 12 in den sechziger Jahren abgerissen wurde, weil es einem Parkhaus weichen mußte, war das Bombenloch im Hof zu sehen. Man hatte es nach der Beseitigung des Blindgängers mit Sand aufgefüllt. Die kleineren Kinder des Hauses spielten jahrelang in dem kreisrunden Loch wie in einer Sandkiste.
     

Die Frau des Bäckers
    Bei einem der schlimmen nächtlichen Bombenangriffe auf Frankfurt im Frühjahr 1943 war ich gleich nach dem letzten Entwarnungston der Sirenen aus dem Luftschutzkeller die Treppen hoch in den Dachstock des Vorderhauses gerannt, um zu sehen, wo überall die Bomben eingeschlagen hatten und wo es brannte.
    Ich öffnete das Fenster einer Dachluke. Es war mit einem Flacheisenstab anzuheben und festzustellen. So hatte ich einen besseren Rundblick über die brennende Stadt. Im gleichen Moment fragte jemand neben mir: »Darf ich auch mal rausschauen?«
    Es war die junge Frau des Bäckers, die einen Stock unter uns im Hinterhaus wohnte, eine blonde Schönheit mit einem recht hübschen Gesicht und leicht aufgeworfenen Lippen. Von allen weiblichen Rundungen hatte sie im Übermaß und betonte sie auch noch durch enganliegende Pullover und Röcke. Wenn wir stundenlang zusammen im Luftschutzkeller saßen und sie mich immer wieder einmal anlächelte, hatte ich mir oft vorgestellt, wie das wohl sein würde, mit ihr unter einer Bettdecke zu liegen und sie so ganz hautnah zu spüren.
    »Selbstverständlich, kommen Sie!« Ich ließ sie vor mich treten, denn die Luke war zu klein, um nebeneinander stehen zu können.
    Die Stadt brannte an unzähligen Stellen, große Flächen waren ein einziges

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