Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
wurde nicht dazu gedrängt und er wurde zum Deserteur, weil er ein gescheiterter Meuterer ist. Und dass wir ihn in Ägypten aufgegabelt haben, zeigt zumindest mir, dass er seinen Verrat nur noch fortsetzt.«
Rheinberg lächelte. Es freute ihn ausgesprochen, dass sein neuer Stellvertreter das Maß an Menschenkenntnis besaß, das er selbst in der Vergangenheit hatte vermissen lassen.
Dahms knurrte wieder etwas, widersprach aber nicht. Rheinberg wusste, dass der Ingenieur Volkert vermisste und dass er im Grunde bereit war, ihm zu verzeihen. Aber weit und breit gab es keine Spur des Fähnrichs und es stand zu vermuten, dass er irgendwo im Reich untergetaucht war. Und nicht zuletzt gab es politische Gründe, die derzeit eine allzu schnelle Amnestie nicht ratsam erscheinen ließen.
»Ich werde Tennberg behutsam behandeln«, erläuterte Rheinberg nun. »Er soll eine Chance bekommen.«
»Er hat keine verdient!«, erwiderte Dahms mit Nachdruck. »Volkert, ja, in Ordnung. Aber Tennberg? Niemals!«
»Ich werde ihn nicht wieder in die Mannschaft aufnehmen«, sagte Rheinberg. »Aber ich gebe ihm Aussicht auf ein ehrenvolles Exil. Wenn ich ihm keine Perspektive gebe, ist der Erfolg dessen, was von Klasewitz ausheckt, seine einzige Chance und wird er nicht freiwillig damit herausrücken.«
»Oh doch. Lassen Sie mich ein paar Stunden mit ihm allein. Oder laden Sie unsere römischen Freunde zum Gespräch. Ich habe gehört, die sind auch nicht zimperlich.«
Das war in der Tat korrekt, wie Rheinberg wusste. Folter war eine übliche und kaum hinterfragte Verhörmethode. Doch der junge Kapitän und Heermeister hielt davon absolut nichts. Für ihn war eine solche Vorgehensweise indiskutabel.
Diese Haltung musste sich in seinem Gesichtsausdruck widergespiegelt haben, denn Dahms ließ es dabei bewenden.
Wieder wanderte sein Blick hinaus auf die Valentinian. Zwei weitere Schiffe des gleichen Typs waren bereits im Bau, und Dahms war Tag und Nacht damit beschäftigt, die beiden benötigten Dampfmaschinen aus Bronze für die Neubauten herzustellen. Eigentlich sollte Rheinberg optimistisch und stolz sein. Sie hatten in sehr kurzer Zeit bemerkenswert viel erreicht. Doch seit dem Auftauchen von Tennberg nagte etwas an ihm, eine dunkle Vorahnung.
Er erhob sich schließlich und sah seine Kameraden an.
»Wir sehen uns morgen Abend wieder«, erklärte er. »Dann wissen wir mehr – über Tennbergs Absichten und über die Chancen, Scheiße aus dem ganzen Reich hierher liefern zu lassen.«
Dahms grinste. »Ich brauche nur die Salpeterkristalle. Scheiße hochheben, Kristalle abkratzen, Scheiße liegen lassen.«
Rheinberg hob die Hände.
»Ersparen Sie mir die Details, Herr Marineoberingenieur!«
2
Tribun Sedacius saß vor dem knisternden Lagerfeuer. Alle waren für die tanzenden Flammen dankbar, denn gegen Abend hatte es sich empfindlich abgekühlt. Erminius, der Anführer der Quaden, hockte dem römischen Offizier gegenüber und war schweigsam. Die Stimmung zwischen Rom und dem Volk der Quaden war nicht gut. Erst vor wenigen Jahren hatte Rom, weitgehend unprovoziert, den König des benachbarten Stammes getötet und damit einen militärischen Konflikt heraufbeschworen, den das Imperium gewonnen hatte. Erminius, Nachfolger des getöteten – des ermordeten – Königs, wusste, dass in seinem Volk ein tiefer und wahrlich nicht unberechtigter Hass gegen die Verräter schlummerte. Er wusste aber auch, dass eine noch viel größere Gefahr von Osten her dräute – und dass diese sehr nah gekommen war, näher noch, als die Römer vermutet hatten.
Dekurio Thomas Volkert, wenngleich ihn niemand unter diesem Namen kannte, saß ebenfalls am Feuer. Sedacius hatte darauf bestanden, obgleich Volkert vom Rang nur wenig mehr als ein einfacher Legionär war. Doch dem Tribun war die wache Intelligenz des jungen Mannes keinesfalls entgangen – und auch nicht die Geschichte, die zur schnellen Beförderung des einstmals unfreiwillig in den Dienst gepressten Soldaten geführt hatte. Damals hatte er eine Kolonne grüner Rekruten bei einem überraschenden Angriff der Sarmaten zu einem Sieg geführt, nachdem die eigentlichen Führungsoffiziere gefallen waren. Volkert dachte nicht so gerne daran zurück. Sein Freund Simodes war in jener Schlacht gefallen. Es war schwer, hier Freundschaften zu schließen.
Erminius schwieg, weil er lange gesprochen hatte. In jedem Detail hatte er die bisherigen Begegnungen seines Volkes mit den Hunnen
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