Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
irdene Tassen mit Kaffee, eine mit Milch und Zucker, die andere schwarz.
Der aksumitische Kaiser beugte sich etwas nach vorne und betrachtete das Getränk misstrauisch. »Ich bin mir nicht sicher, ob das allzu viel nützt. Ich schmecke schon seit geraumer Zeit nur noch sehr scharfe Speisen, der Rest …«
Neumann nickte. Dass mit dem Alter das Geschmacksempfinden nachließ und man eher zu den Extremen neigte, war ihm bekannt. Er hatte vier Löffel Zucker hineingetan.
»Diese Variante ist die natürliche, ohne Zugaben«, erklärte der Arzt nun höflich.
»Die schwarze?«
»Ja. Die andere enthält Milch und ist gesüßt. Stark gesüßt.«
Der aksumitische Kaiser lächelte breit und entblößte schadhafte Zähne mit großen Lücken. »Ich mag Süßes, Zeitenwanderer!«
Ohne weiter zu zögern, nahm er die Tasse mit dem Milchkaffee, blies vorsichtig auf das dampfende Getränk und nahm einen tiefen Schluck.
Alle im Saal blickten ihn neugierig an.
Er nahm einen weiteren Schluck, dann noch einen. Er rollte den Kaffee in seinem Mund hin und her, schloss dabei die Augen. Nach weiteren zwanzig Sekunden hatte er die Tasse geleert.
Er öffnete die Augen, stellte das Behältnis ab und schaute auf die zweite Tasse. Er nahm sie, trank erneut, und obgleich sie ihm offensichtlich nicht ganz so mundete, hatte der Negusa Nagast offenbar die Absicht, der ganzen Angelegenheit mit Sorgfalt auf den Grund zu gehen.
Dann, als er auch die zweite Tasse leer abgestellt und Behrens mit verschmitztem Grinsen und einer Verbeugung seine Dienstzeit als Kellner beendet hatte, holte der Kaiser tief Luft und sah Neumann an.
»Ich fühle mich belebt, Zeitenwanderer.«
»Ja, Majestät. Das ist in der Tat die zentrale Wirkung dieses Getränks. Viele mögen den bitteren Geschmack der puren Form nicht, aber dafür gibt es ja Abhilfe. Alle schätzen die Qualität als Mittel, das einen wach hält. Wer viel nachts arbeitet, so etwa Eure Wachmänner, wird den gelegentlichen Trunk als sehr hilfreich empfinden, um die eigene Aufmerksamkeit zu erhalten.«
Der Kaiser nickte. »Ich denke, ich erkenne den Wert des Getränks. Nun, was habe ich damit zu tun?«
Neumann räusperte sich.
»In unserer Zeit, so schwer dieses Konzept auch zu verstehen sein mag, ist dieses Getränk unter dem Namen Kaffee weit verbreitet. Es handelt sich letztlich um eine bohnenförmige Pflanze, die an Sträuchern wächst. Sie wird in verschiedenen Gegenden der Welt angepflanzt, unter anderem in jenem Land, das zu unserer Zeit Äthiopien heißt und derzeit Aksum ist.«
Die Augen des Negusa verengten sich.
»Sagt mir«, erwiderte er leise. »In Eurer Zeit, so weit in der Zukunft – und ja, ich verstehe es in der Tat nur schwer –, wie ist da mein Land?«
Neumann hatte sich nur sehr oberflächlich mit der Geschichte Äthiopiens befasst. Er wusste, dass das Aksumitische Reich ab dem 7. Jahrhundert langsam zusammenbrach und erst im 12. Jahrhundert mit der Gründung des Kaiserreiches Äthiopien zu neuer Blüte kam. Dann folgte eine sehr wechselvolle Geschichte, mit Bürgerkriegen wie auch Phasen großer Einheit. Er wollte hier nicht zu sehr ins Detail gehen.
»Zu der Zeit, als wir hierher verschlagen wurden, herrschte Kaiser Menelik II. über das Reich.«
Mehadeyis neigte den Kopf. »Er ist ein direkter Nachfahre von mir?«
Neumann zögerte einen Moment, sah aber keinen großen Sinn darin, zu lügen.
»Er reklamiert das wohl, ja. Die direkte Nachfolge geht aber nur bis auf Menelik I. zurück, der in etwa 600 Jahren von jetzt der erste Kaiser des Reiches sein wird, das dann den Namen Äthiopien trägt.«
Der Negusa Nagast lächelte. »Das ist doch schon recht ordentlich, Zeitenwanderer.«
Neumann erwiderte das Lächeln. »Es gibt nur wenige Königshäuser, edle Majestät, die auf einen so langen und illustren Stammbaum zurückblicken können wie das von Äthiopien.« Er verschwieg, dass die äthiopischen Kaiser über lange Zeiträume hinweg nur Marionetten starker und sich gegenseitig bekämpfender Adelsgeschlechter gewesen waren.
»Wir müssen uns in Ruhe darüber unterhalten«, sagte der Kaiser, was Neumann insgeheim befürchtet hatte. Die historischen Unterlagen, die Rheinberg in seiner privaten Bibliothek vorliegen hatte, waren zu diesem Thema sehr spärlich gewesen. Er wusste nur wenig und würde die Fragen des Kaisers möglicherweise nicht beantworten können.
»Nun aber, ich habe Euch gezwungen, abzuschweifen«, ergriff Mehadeyis wieder das Wort. »Wir sprachen
Weitere Kostenlose Bücher