Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
Wein und deutschen Branntwein.
Volkert griff zu. Er hatte keinen Hunger, aber sehr viel Durst.
Die Gespräche waren laut, fast zu laut. Sie übertönten die grausamen Konsequenzen des Verrats, die nur unweit des Zeltes gezogen wurden.
Schnell und erbarmungslos. Am Morgen würde man davon nichts mehr sehen.
Sedacius hatte Volkert angestarrt, als er abgeführt worden war. Thomasius war nicht verhaftet worden. Damit war klar, wer der Verräter gewesen war.
Diesen Blick würde Volkert niemals vergessen. Er flößte ihm keine Schuld ein, zumindest jetzt noch nicht. Aber alleine die Erinnerung daran machte ihm Angst.
Er trank.
37
Mehadeyis, der Kaiser Aksums, hatte nicht zu viel versprochen, als er Neumann, Behrens und Africanus gegenüber geäußert hatte, er würde alle Informationen beschaffen, nach denen diese verlangten, um herauszufinden, wohin sie sich am besten wenden konnten. Die Vorbereitungen zum Aufbruch waren bereits getroffen, als überraschende Gäste zum Abendmahl im Thronsaal des aksumitischen Herrschers erschienen. Wie jeden Abend, zum Abschluss seiner täglichen Regierungsgeschäfte, lud der alte Mann die römischen Gäste zum Essen ein, um mit ihnen allerlei Dinge zu besprechen. Am Abend zuvor war der Leibarzt des Kaisers zugegen gewesen und das gesamte Tischgespräch hatte sich um die Details medizinischer Eingriffe gedreht. Viele der Gäste hatten sich vorzeitig aus der Gegenwart der Diskutanten verabschiedet, Mehadeyis teilte aber das Interesse vieler alter Menschen für die medizinischen Künste und hatte das Gespräch aufmerksam verfolgt. In Aksum wie in Rom galten Mediziner nicht sonderlich viel, da ihre Arbeit meist nur von wenig Erfolg gekrönt war. In Aksum wie in Rom herrschte noch die »Säftelehre« der griechischen Medizin vor, die Krankheiten unter anderem durch den Aderlass zu kurieren versuchte, eine Unsitte, die sich bis in die Neuzeit gehalten hatte. Operationen waren meist das allerletzte Mittel und von völliger Unkenntnis notwendiger Hygiene gekennzeichnet. Außerdem folgten fast unausweichlich schwere Komplikationen, vom Schock einer Operation bei vollem Bewusstsein einmal ganz abgesehen. Knochenbrüche waren, soweit Neumann das hatte ersehen können, die Verletzung, bei der römische Ärzte am ehesten helfen konnten, und jene, die sich besonders gut in Kräutern auskannten, wussten chronische Leiden zumindest zu lindern. Dennoch hatten in der ganzen antiken Welt Wunderheiler Hochkonjunktur. Neumann musste sich eingestehen, obgleich er es nicht laut aussprach, dass die Popularität des jungen Christentums nicht wenig damit zu tun hatte, dass Jesus sich als ausgesprochen effektiver Wunderheiler entpuppt hatte.
Der Kaiser Aksums teilte das gesunde Misstrauen aller gegen Ärzte, verfuhr aber nach der Logik: »Krankheiten sind von Gott, Ärzte sind von Gott und die Medizin auch.« Es entsprach seinem pragmatischen Wesen, so vorzugehen. Neumann hatte bereits längere Gespräche mit dem Leibarzt geführt und zu seiner Freude feststellen dürfen, dass dieser dort, wo die antike Medizin tatsächlich hilfreich war – eben bei Knochenbrüchen und einigen chronischen Erkrankungen –, als guter Arzt galt. Da der Mann außerdem der Säftelehre ein gewisses Misstrauen entgegenbrachte, fand er sofort Neumanns Sympathie. Der Leibarzt hatte ihm schlicht gesagt, dass die Lehren von den Säften ganz einfach seiner Beobachtung widersprachen, wie Patienten auf eine entsprechende Behandlung reagierten. Neumann fand heraus, dass der Arzt sehr empirisch vorging und seine Beobachtungen sehr ernst nahm, darüber sogar umfassende Protokolle erstellt hatte. Doch war er natürlich weit von den Erkenntnissen moderner Medizin entfernt.
So hatte er denn auch den ausführlichen Schilderungen Neumanns zur Notwendigkeit der Hygiene bei operativen Eingriffen mit großem Interesse gelauscht. Es war durchaus nicht unüblich, vielleicht aus einer gewissen naiven Einsicht heraus, Operationswunden mit Essig auszuwaschen. Aber als Neumann ihm mitteilte, dass Operationsbesteck abzukochen sei, von der Nadel bis zum Messer, und dass auch die Hände und die Kleidung des Arztes vor jeder Operation entweder in abgekochtem oder zumindest heißem Wasser gründlich zu reinigen wären, um unsichtbare Dinge abzutöten, die zu Infektionen führten, hatte er viel Aufmerksamkeit erregt. An jenem Abend hatten sie lange über die Möglichkeiten der Betäubung von Operationspatienten gesprochen. Klassische
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