Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
Vertrauen auf göttliche Fügung ebenso problematisch. Worin liegt also das Schicksal, von dem ich eben sprach?«
Theodosius hielt einen Moment inne und ließ seinen Blick über die Gesichter der Versammelten wandern. Traf es zu oder war es lediglich Einbildung, dass seine Augen ein wenig länger auf Volkert verweilten als auf den anderen?
»Ich bin der Ansicht, dass unser Schicksal das ist, was wir daraus machen. Eine einfältige Weisheit, nicht wahr? Und sie stellt uns vor so große Herausforderungen, enthüllt sie doch die Eigenverantwortlichkeit unseres Tuns! Aber keine Angst, auch der Herr spielt seine Rolle: Denn wir werden unser Schicksal erst dann definieren und verwirklichen können, wenn wir dies mit Gott an unserer Seite tun. Erst dann, wenn sich Gottes Hilfe mit unserem Willen verbindet, können wir Erfolg haben. Gottvertrauen alleine nützt nichts. Unser Handeln alleine nützt auch nichts. Beides zusammen erst führt zu Ergebnissen.«
Der Kaiser hob den Weinkelch und benetzte seine Kehle, ehe er weitersprach.
»Es ist schwer zu verstehen, dass wir dabei Gewalt anwenden müssen. Der Tod kommt in vielerlei und für Männer unserer Profession meist in sehr unangenehmer und schmerzhafter Gestalt. Wie beneiden wir jene alten Veteranen, die nach Abschluss ihrer Dienstzeit als geachtete Mitglieder ihrer Gemeinde auf ihrem Land ein kleines Haus errichten und ein friedliches Leben führen können, mit etwas Glück dereinst in hohem Alter im Kreise der Familie entschlummern – und all dies in der Gewissheit, im Leben alles erreicht zu haben: für das Imperium gekämpft, Ehren empfangen, ein Haus errichtet, eine Familie gegründet, ein sinnvolles Leben gelebt zu haben. Doch wer von uns wird sich ernsthaft dieses Schicksals rühmen können? Zu schnell findet die feindliche Klinge ihr Ziel. Unser Freund Thomasius hier hat gezeigt, dass selbst Männer höchster Stellung davor nicht gefeit sind.«
Alle Augen richteten sich für einen Moment auf Volkert, der bescheiden den Kopf senkte. Theodosius ließ ihn für einige Augenblicke in seiner eigenen Verlegenheit brutzeln, ehe er die Aufmerksamkeit wieder auf sich zog, indem er weiterredete.
»Warum selbst dann, wenn wir Gott und unseren Willen in Gebet und Handeln miteinander verbinden, Gewalt und Tod auf uns warten, ist ein Mysterium, das ich noch nicht begreife. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass in diesem Leben zu dieser Zeit nichts einen Wert hat, was wir nicht langfristig erstrebt und ersehnt haben, und dass der Tod und der Schmerz uns zeigen, welche Steine auf diesem Weg liegen und was es zu überwinden gilt.«
Volkert fand, dass Theodosius nicht besonders überzeugend wirkte, wenn er anfing, blumig und mystifizierend zu reden. Er bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck und war damit nicht alleine.
»Doch letztlich ist das auch egal: Ich jedenfalls bin fest davon überzeugt, liebe Kameraden, dass uns kein Stein aufhalten wird und wir jedes Hindernis bezwingen werden. Lasst die anderen Tod und Schmerz erfahren, wenn es denn der Gang der Dinge ist. Wir wollen siegreich und unbeschadet aus alledem hervorgehen!«
Beifall regte sich, teils höflich, teils aus Überzeugung. Theodosius ließ es für kurze Zeit geschehen, dann hob er seine Hände. Volkert fühlte, wie die Spannung in ihm wuchs. Er wusste, worauf diese Rede letztlich hinauslief. Er schloss kurz die Augen und versuchte, das heftige Herzklopfen zu bezwingen, das ihn befallen hatte. Es gelang ihm nur schwerlich.
Theodosius wartete, bis wieder Ruhe eingekehrt war. Hatte sein Gesicht eben noch Zuversicht und Freude gezeigt, umwölkte sich nun seine Stirn und er wirkte sehr ernst.
»Es gibt aber jene unter uns, die diesen Weg für uns besonders schwer machen wollen. Dort, wo Einigkeit gefragt ist, streuen sie Zweifel. Dort, wo wir zusammenstehen müssen, um gemeinsam gegen einen mächtigen Feind bestehen zu können, säen sie Zwietracht. All das wäre zu verkraften, ja ist nahezu unausweichlich, denn so sind wir Römer nun einmal – wenn nicht, ja wenn nicht dieser Dissens dazu führen würde, dass mehr als nur Zweifel geäußert werden. Tatsächlich rede ich von einem weitaus ernsthafteren Problem. Ich rede von Verrat. Von Usurpation. Von einem Umsturz.«
Völlige Stille senkte sich über die Versammelten. Volkert sah sich die Gesichter der Männer an. Bei einigen las er Entsetzen, bei anderen Furcht. Weitere zeigten verschiedene Stadien der Entschlossenheit, bis hin zur Wut.
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