Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
Territorium. Egal welcher Imperator herrschte, es hat immer stabile Beziehungen gegeben. Doch unsere eigenen Handelsinteressen haben seit dem Besuch der Delegation eine neue Tiefe mit großen Potenzialen bekommen, und ich stehe zudem in der Schuld der Zeitenwanderer.«
»Potenziale im Handel?«, fragte Sholba nach, in den Augen das Funkeln des gewieften Geschäftsmannes. »Das Königreich der Garamanten ist an Potenzialen in diesem Bereich stets interessiert und zu jeder Kooperation bereit.«
Mehadeyis warf ihm einen langen Blick zu. »In der Tat könnte ich mir vorstellen, dass sich da etwas arrangieren ließe.« Dann kam er wieder zu seinem eigenen Gedankengang zurück. »Die Ankunft der Zeitenwanderer hat Rom in Aufruhr versetzt und ich habe nach dem, was mir Neumann geschildert hat, den Eindruck gewonnen, dass es die ganze Welt betreffen wird, direkt oder indirekt. Wir können viel von den Zeitenwanderern lernen, segensreiche wie gefährliche Dinge. Dies löst einen Prozess des Wandels aus, und das mit unabsehbaren Konsequenzen. Für uns am Rande Roms wird die Frage sein: Können wir diesen Wandel mit beeinflussen und seine Folgen beherrschen oder werden wir zum Spielball, zu bloßen Zuschauern?«
Neumann sah den Kaiser an. So offen und klar hatte der aksumitische Kaiser sein eigenes Dilemma und damit seine Sichtweise auf diese Dinge noch nie formuliert. Aber es war klar, dass alles, was in Rom passierte, letztlich nicht nur auf die Anrainerstaaten am Mittelmeer Auswirkungen haben würde. Über kurz oder lang mussten vor allem technologische Neuerungen ihren Weg in die Nachbarstaaten finden. Auch in Persien gab es kluge Handwerker, die etwa das Prinzip der Dampfmaschine leicht begreifen und nach einigen Versuchen umsetzen konnten – von den Waffen ganz zu schweigen. Und was passierte, wenn die Chinesen beginnen würden, diese Techniken zu nutzen? All dies musste mittel- bis langfristig revolutionäre Veränderungen auslösen. Neumann war kein Marxist, aber er war im Stillen mit dem Nationalökonom immer in Übereinstimmung gewesen, wenn dieser schrieb, dass die Produktionsverhältnisse das gesellschaftliche Sein prägend mitbestimmten. Und diese würden sich gravierend ändern. Das musste Auswirkungen auf Staat und Gesellschaft haben, und während Rom noch in der Lage war, relativ flexibel damit umzugehen – soweit man einen Kaisermord und einen Bürgerkrieg als Ausdruck von Anpassungsbereitschaft bewerten mochte –, blieb die Frage, wie es dann in Reichen wie Persien oder in Aksum vonstattengehen würde?
Mehadeyis, so konzedierte Neumann erneut, war ein kluger und weitsichtiger Mann. Dass sein prospektiver Thronfolger Ouezebas neben ihm saß und aufmerksam zuhörte, bei vielen seiner Worte zustimmend nickte und in allem einer Ansicht erschien, war in gewisser Hinsicht beruhigend. Aksum stand vor schwierigen Zeiten und es würden die Schultern des Ouezebas sein, auf denen die Last der Verantwortung ruhen würde, egal, welche Weichenstellungen der alte Kaiser noch zu Lebzeiten einzuführen gedachte .
Sholba schien die Worte des Kaisers gleichfalls zu bedenken.
»Wir würden in diesen Dingen«, sagte er schließlich, »gerne eng mit unseren aksumitischen Freunden zusammenarbeiten und im Austausch bleiben.«
Mehadeyis nickte. »Ich sehe viele Möglichkeiten der Kooperation, in der Zukunft wie auch in der Gegenwart.«
Doch wenn Neumann gehofft hatte, dass der Kaiser hier weiter ins Detail gehen würde, so sah er sich getäuscht. Stattdessen verkündete der alte Herrscher, dass es nunmehr Zeit für den Hauptgang sei und man genug über ernste Themen geredet habe.
Am Ende des Mahls wurde der Rest von Neumanns mitgebrachtem Kaffee verköstigt.
Das war ein gelungener Abschluss des Abends, denn Sholba, Prinz der Garamanten, erkannte in der Tat zahlreiche Potenziale.
38
»Das ist eine logische Konsequenz und es ist die richtige Lösung«, erklärte Modestus und nickte dem Boten zu, der sich mit einer Verbeugung verabschiedete. Der Prätorianerpräfekt hatte sich auf die Brücke der
Saarbrücken
begeben, als diese wieder in Konstantinopel festgemacht hatte. Er wurde in der Kapitänskajüte von Rheinberg und von Geeren erwartet, nachdem Dahms ihm eine kleine Tour über das Schiff gegeben hatte.
Die Behörden in Konstantinopel hatten sofort Maßnahmen ergriffen, als der Pestausbruch bekannt geworden war. Die Einreise in die große Metropole war unter strengste Kontrolle gestellt worden.
Weitere Kostenlose Bücher