Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
wussten genau, was von ihnen erwartet wurde, und sprinteten los. Rheinberg betrachtete mit Faszination, wie schnell die zweirädrigen Gefährte Fahrt aufnahmen und über den sandigen Boden stoben. Er hatte kaum hingesehen, schon erreichten die Lenker die erste Kehre. Gefährlich nahe schliffen die Räder der Wagen aneinander, als sie um die ideale Kurvenlage kämpften. Es kristallisierte sich jetzt klar heraus, wer den besten Start hinbekommen hatte. Einer der Wagen konnte sich etwas absetzen und wurde nicht in das Gerangel in der Kurve hineingezogen. Erwartungsvoller Applaus brandete auf.
»Drusus, wie zu erwarten war«, kommentierte einer von Modestus’ Gefolgsleuten und die anderen, die sich ebenfalls auskannten, nickten beifällig. Offensichtlich war der Mann einer der Favoriten und wurde seiner Rolle nunmehr gerecht.
Rheinberg beugte sich nach vorn. Auch er wurde durch das spannende Rennen in dessen Bann gezogen.
Die Wagen hatten nun alle die lange Gerade hinter sich gebracht. Der Vorsprung des Drusus war nicht groß, gerade groß genug, um ohne Gedränge in die Kehre zu rasen. Die folgenden vier Wagen kamen dicht an dicht – und sich deutlich zu nahe. Ein kreischendes Geräusch ertönte, als Radnaben aneinandergerieten. Ein Wagen, eingequetscht zwischen zwei Konkurrenten, begann zu schlingern. Der Lenker zog verzweifelt an den Zügeln und versuchte, durch ein Abbremsen der Umklammerung zu entkommen, doch die Fliehkraft der Kurvenlage drückte ihn stärker gegen einen der anderen Wagen. Schließlich verlor er an Geschwindigkeit, doch es war zu spät: Der Wagen schlingerte heftig, balancierte für einen Moment auf einem Rad, dann, als das Chassis krachend wieder zu Boden kam, brach die Achse entzwei und die Pferde schleiften den Rahmen über den sandigen Boden. Mit Mühe brachte der Lenker die Tiere zum Stehen. Für ihn war das Rennen vorbei.
Helfer eilten auf die Strecke, um den Havarierten und seine Pferde, vor allem aber die Trümmerstücke des Wagens, so schnell wie möglich beiseitezuschaffen. Rennabbrüche gab es wegen solcher Lappalien nicht. War ein Helfer nicht schnell genug, war es sein Pech.
Es ging alles gut. Als die vier verbliebenen Wagenlenker erneut in den Bereich kamen, war der Weg frei. Drusus hatte seinen Vorsprung auf eine Länge ausgebaut und wirkte auf Rheinberg schon recht entspannt. Es war klar, dass der Champion die besseren Pferde hatte. Egal wie begabt einer dieser Männer auch sein mochte, letztlich hing alles davon ab, wie gut die Tiere waren, wie schnell im Antritt und wie lange sie eine hohe Geschwindigkeit halten konnten. Die beiden tiefschwarzen Hengste, die Drusus vor seinen Wagen gespannt hatte, waren durchtrainierte Rennpferde, wahrscheinlich zu diesem Zwecke gezüchtet, und es schien, als hätten sie auf jeden Fall noch genug Kraft, um das Rennen siegreich zu Ende zu bringen.
Die Zuschauer waren augenscheinlich ähnlicher Ansicht. Der Sieger stand für sie fest. Verkäufer wurden herbeigewunken, um Stärkungen zu kaufen, oder Mitgebrachtes wurde ausgepackt. In einigen Bereichen der Zuschauerränge entwickelte sich Picknickatmosphäre. In anderen wurden Buchmacher von wettfreudigen Zuschauern belagert, entweder solchen, die auf eine baldige Auszahlung ihres Gewinns hofften, da sie richtig gewettet hatten, oder jenen, die auf das kommende Rennen setzen wollten. Alles in allem wirkte die Atmosphäre gespannt, aber fröhlich wie auf einem Jahrmarkt. Brot und Spiele. Es funktionierte hervorragend.
Rheinberg lehnte sich zurück. Minuten später war das Rennen vorbei, Drusus wurde unter dem Beifall des Publikums zum Sieger gekürt. Noch während die Teilnehmer des ersten Laufes aus dem Hippodrom geführt wurden, positionierten sich die des zweiten Rennens vor der Startlinie.
»Lucinius ist der Favorit«, meinte einer von Modestus’ Leuten und wies auf einen hochgewachsenen Mann in einem mit blauer Farbe verzierten Streitwagen. »Er ist seit zehn Rennen ungeschlagen.«
»Ich habe zehn Denare auf ihn gesetzt«, bestätigte ein anderer Mann. Natürlich waren die Buchmacher auch hier aktiv, vertreten durch einige dezent im Hintergrund weilende Vertreter, die einen möglichst diskreten und würdevollen Eindruck zu machen versuchten, indem sie nicht halb so viel gestikulierten und herumschrien wie ihre Kollegen unten auf den Rängen.
Rheinberg fühlte sich nicht informiert genug, um sein Geld zu setzen, obgleich er grundsätzlich gar nichts gegen ein kleines Spiel einzuwenden
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