Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
einmal die männlichen Sklaven, von denen die meisten auf den Weinbergen arbeiteten. Auf diese hatte sie als Gast der Familie keinen direkten Zugriff und sie würden sich wahrscheinlich auch eher ihren derzeitigen Herren gegenüber loyal verhalten. Julia musste feststellen, dass auch in der Familie ihres Mannes Sklaven durchaus ordentlich behandelt wurden und ein ungestörtes Leben hatten, solange sie ihre Arbeit taten. Auch die Betreiber der Weinberge stöhnten unter dem immer größer werdenden Mangel an Sklaven. Früher waren deren Zahlen ständig angeschwollen, weil das Imperium tatkräftig expandiert war. Jeder Feldzug hatte Zehntausende neuer Arbeitskräfte in das Reich gespült. Doch seit geraumer Zeit befand sich Rom in der Defensive. Versklavt wurden Verbrecher, soweit sie dazu als geeignet befunden wurden, und es wurden Menschen in Sklaverei geboren, was dazu führte, dass der Bestand sich einigermaßen erneuerte. Dann aber gab es schon seit vielen Jahren Freilassungen, gerade durch überzeugte Christen. Es kam auch immer wieder zu Sklavenaufständen und zur Flucht, deren Aussichten in manchen Gegenden aufgrund der stetig bröckelnden Staatsgewalt gar nicht so schlecht waren. Irgendwann hatte sich diese Entwicklung als ständiger, sich verstärkender Verlust in der Sklavenpopulation niedergeschlagen. Jene, die auf eine große Anzahl an Arbeitskräften angewiesen waren, zeigten also Interesse daran, die noch verbliebenen Sklaven so gut zu behandeln, dass sich keine unmittelbare Gefahr einer Flucht ergab. Regelmäßige Verpflegung, Unterkünfte, die nicht wie Dreckställe aussahen, angemessene Kleidung, die Erlaubnis, Familien zu gründen, und die Garantie, diese Familien nicht durch Verkäufe gleich wieder auseinanderzureißen – und nicht zuletzt Aufstiegsmöglichkeiten für die Gebildeten und Fleißigen, als Schreiber, Verwalter, Vormänner, all dies trug dazu bei, dass sich nur diejenigen mit dem stärksten Freiheitsdrang darüber Gedanken machten, ihrem Los zu entkommen. War ein Sklavenbesitzer klug und hörte auf das, was bei den Leuten geschah, identifizierte er diese Personen rasch und kam ihnen durch die Freilassung und eine darauf folgende Anstellung zuvor – das war zwar dann etwas teurer, aber nicht so teuer, als wenn er auf einen Arbeiter hätte verzichten müssen, nicht zuletzt deswegen, weil die Preise für brauchbare Sklaven auf den Märkten recht hoch geklettert waren. Dazu beigetragen hatte auch die Transaktionssteuer, die das Imperium unter der Ägide Gratians erhoben hatte. Damit wurde der Weiterverkauf von Sklaven künstlich verteuert. Der Handel wurde massiv eingeschränkt und viele große Manufakturen oder Latifundien sahen sich gezwungen, das zu tun, worauf diese Politik letztlich hinauslief: auf den Einsatz von Sklaven zu verzichten. Der zweite Teil der Reform – eine Neuverteilung des Großgrundbesitzes durch Pacht und Entschädigung – war bereits geplant gewesen, als der Bürgerkrieg alle diese Pläne in ihrer Umsetzung gestoppt hatte. Das Risiko war groß, dass soziale Unruhen landloser Freier bald das größte Problem darstellen würden.
Ein Grund mehr, das ländliche Idyll der Insel zu verlassen und die Sicherheit der Metropole zu suchen, fand Julia. Sie verfolgte das politische und gesellschaftliche Geschehen sehr genau. Thomas Volkert hatte sie dazu gebracht, auf diese Dinge zu achten, nicht zuletzt deswegen, weil davon indirekt ihr persönliches Glück mit ihrem Mann abhing.
Am Ende war es, wie so oft, der Zufall, der Julia half, sich eine geeignete männliche Begleitung zu verschaffen. Und dieser Zufall präsentierte sich in Gestalt eines Veteranen der Legion, der nach 25 Dienstjahren auf die Insel seiner Väter zurückkehrte. Er hatte sein Land, gestiftet vom Kaiser, verkauft, da ihm Gallien zu kalt und zu unsicher erschien, und wurde beim Gastgeber der Julia vorstellig, um bei ihm um Arbeit zu bitten.
Julia sah ihn, maß seine kräftige Gestalt mit fachkundigem Auge und befand ihn für würdig.
Es half, dass es derzeit keine geeignete Stelle für ihn gab.
Und so wurde Julius Racius, als er etwas enttäuscht das Verwaltungsgebäude verlassen wollte, am Fortkommen gehindert, indem eine junge Sklavin ihm in den Weg trat und ihn bat, ihr zu ihrer Herrin zu folgen.
8
Das Hippodrom war gigantisch.
Rheinberg konnte es von der kaiserlichen Loge genau einsehen. Er hatte das große Oval direkt durch einen Zugang vom kaiserlichen Palast aus betreten,
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