Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
sein Fernglas und maß den Kai mit seinen Blicken ab.
Die Legionäre waren jetzt arg verwundert. Dann passierte, was Joergensen erwartet hatte: Aus den Zugängen strömten Soldaten der Stadtwache, die Schilde erhoben, und hinter ihnen kamen Bogenschützen in Stellung.
»Herr Kapitän!«
Börnsen wies nach Backbord. Der Offizier zerdrückte einen Fluch zwischen den Lippen. Zwei Galeeren hatten losgemacht und ruderten vollbesetzt mit Legionären auf die
Saarbrücken
zu.
»Börnsen, Sie haben jetzt das Kommando!«, sagte er dem Maat, der bleich wurde und vorsichtig nickte. »Sobald Sie Dampf genug haben und die Leinen los sind, legen Sie die
Saarbrücken
ab. Sie können das. Wenn dabei einer von den Holzkähnen zu Bruch geht, ist es egal. Rufen Sie einen Signalmaat, er soll den Dampfseglern …«
»Die wissen schon Bescheid!«, erwiderte der Steuermann und wies nach vorne, in Richtung der drei dort festgemachten Neubauten. Auch dort wurden Planken zum Ufer eingezogen und Leinen fortgeworfen, und auch dort waren die vorgeheizten Kessel der Bronzedampfmaschinen bereits dabei, feine Rauchwolken in den Himmel zu stoßen. Joergensen dankte dem Herrn dafür, dass die Besatzungen der Dampfsegler nicht aus Volltrotteln bestanden und sie ihre Wache ernst genommen hatten.
»Sie …«
Ein Krachen ertönte. Der Dampfsegler
Horaz
hatte die Arkebuse auf die heranrudernden Galeeren abgefeuert. Der Schuss saß zu kurz und es spritzte nur etwas im brackigen Hafenwasser, aber damit war etwas passiert, was Joergensen gerne verhindert hätte: Sie hatten den ersten Schuss abgefeuert. Er nahm sein Lob über die Professionalität der Männer wieder zurück.
Er konnte es allerdings niemandem verdenken, die Nerven verloren zu haben.
»Börnsen, ich verlasse mich auf Sie! Bringen Sie uns hier raus!«
»Herr Kapitän, werden Sie …«
»Ich habe mal gelernt, wie man ein Geschütz abfeuert. Und ich schau mal, ob ich mich noch daran erinnere.«
Kaum hatte er das gesagt, eilte er von der Brücke. Ein Schiff von der Größe der
Saarbrücken
mit einer Handvoll Leute verteidigen zu wollen, war im Grunde genommen wahnsinnig und aussichtslos.
Augenblicke später schwang sich der Offizier in den Sitz des Kanoniers. Feldmann, ein junger, schlaksiger Bursche, sah ihn ruhig an.
»Geladen und feuerbereit, Herr Kapitän«, war seine gelassene Meldung. Joergensen spürte, wie sich sein eigener Pulsschlag beruhigte.
Wahnsinnig? Sicher. Aussichtslos aber möglicherweise nicht.
15
Rheinberg bekam eine ganz ordentliche Unterkunft. Ein Rest-Nimbus als Heermeister schien ihm noch anzuhaften, denn er wurde mit einem gewissen Respekt behandelt. Die Räumlichkeiten lagen im kaiserlichen Palast, offenbar irgendwelche Gästequartiere, und waren zwar nicht luxuriös, aber annehmbar eingerichtet. Er hatte keinen Balkon, nur zwei Fenster nach draußen, oben im Gebäude gelegen, sodass die Flucht dadurch fast unmöglich erschien. Vor der Tür seiner Unterkunft standen gleich vier Wachsoldaten, die nur den gelegentlichen Diener durchließen, der ihm Nahrung brachte und andere, einfache Wünsche erfüllte. Man hatte Rheinberg entwaffnet und ihm ansonsten seine Kleidung gelassen. Niemand hatte bisher mit ihm sprechen wollen. Wahrscheinlich war man damit befasst, die anderen Flüchtlinge zu fangen und einzukerkern. Rheinberg hoffte, dass zumindest einigen von ihnen die Flucht gelingen würde. Seine allergrößte Hoffnung ruhte allerdings auf Joergensen an Bord der
Saarbrücken.
Er hielt das überzeugendste Machtinstrument in Händen, mit dem sich jetzt noch etwas ausrichten ließ.
Über sein eigenes Schicksal machte sich Rheinberg keine Illusionen. Er würde wahrscheinlich vor die Wahl gestellt werden: entweder Selbstmord, was in Rom durchaus als ehrenvoll galt, selbst noch unter aufrechten Christen, oder der Tod durch die Hand eines anderen. Er bezweifelte, dass ihm Alternativen wie etwa das Exil oder die Verbannung auf eine einsame Insel gewährt werden würden. Andererseits war damit zu rechnen, dass sein Tod die Besatzung der
Saarbrücken
noch mehr gegen Maximus aufbringen würde – und war das ein Risiko, dass der Usurpator einzugehen bereit war? Je mehr Rheinberg darüber nachdachte, desto eher kam er zu dem Schluss, dass Maximus erst dann am Ziel sein würde, wenn er den Kleinen Kreuzer zumindest physisch in Besitz gebracht und – wahrscheinlich – von Klasewitz übergeben hatte. Sollte dies scheitern, wäre eine Art Pattsituation
Weitere Kostenlose Bücher