Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
hergestellt. Und so ergab es auch Sinn, dass Rheinberg hier in relativem Komfort saß, weder gefoltert noch mit dem Tode bedroht wurde, da sich die Hintermänner dieser Aktion nicht sicher sein konnten, wie die Operation letztlich ausging. Oder anders herum gedacht: Wenn man ihn abholte und das Schwert an den Hals legte, war die
Saarbrücken
mit größter Wahrscheinlichkeit geentert worden. Wenn er weiterhin zu essen und zu trinken bekam und man ihn gut behandelte, war die Situation noch in der Schwebe.
Rheinberg beschloss, mit diesem Gedanken zufrieden zu sein. Es war das Beste in der derzeitigen Lage, worauf er hoffen konnte. Er vertraute Joergensen und dessen Umsicht und Fähigkeiten. Wenn jemand die Situation retten konnte, dann er. Für Rheinberg selbst gab es nichts zu tun, außer es fand sich die Möglichkeit zu einem Gespräch, das ihm erlaubte, Zweifel in die Herzen seiner Häscher zu säen. Aber niemand sprach mit ihm und seine Bitten, mit Modestus reden zu dürfen, waren von den Wachen mit steinerner Miene abgelehnt worden.
Rheinberg hatte sich damit fast schon abgefunden und sich auf eine lange und zermürbende Wartezeit eingestellt, als sich doch die Tür öffnete und der Prätorianerpräfekt, begleitet von zwei Legionären, den Raum betrat.
Rheinberg trat ihm entgegen, sah ihn auffordernd an. Der alte Mann wirkte müde, fast schon ausgemergelt, und hatte tiefe Schatten unter den Augen. Er wirkte nicht wie ein Triumphator, fand Rheinberg, sondern wie jemand, der eine schwere Bürde trug, der er sich zu entledigen trachtete.
Modestus winkte und die beiden Soldaten verschwanden. Die Tür schloss sich.
»Ich gehe davon aus, dass Ihr mich nicht mit bloßen Händen erwürgen werdet, Heermeister«, sagte der alte Mann mit freudlosem Lächeln und setzte sich unaufgefordert hin.
»Das ist in der Tat nicht meine Art«, erwiderte Rheinberg. »Ich will aber zugeben, dass Euer Verhalten durchaus gewisse Rachegelüste in mir hervorruft.«
»Das verstehe ich. Deswegen bin ich hier.«
»Ihr wollt Euch erklären? Um Verständnis für Eure Handlungsweise bitten?« Rheinberg konnte nicht verhindern, dass sich eine gewisse Bitterkeit in seine Stimme schlich.
Modestus presste kurz die Lippen aufeinander. »So ungefähr.«
Rheinberg setzte sich dem Präfekten gegenüber und sagte nichts weiter.
»Ich habe nichts gegen Theodosius«, begann Modestus nun. »Er ist ein guter Mann. Ich habe auch nichts gegen Euch, Rheinberg. Viele der Reformen, die Ihr angeregt habt, sind klug und weitsichtig. Ich diene dem Imperium lange genug, um das zu begreifen. Und ich bin ein Freund Eurer Toleranzpolitik in religiösen Fragen. In mir habt Ihr keinen Feind.«
Rheinberg hob die Augenbrauen. »Mich und meine Männer festzusetzen, kann aber auch nicht gerade als Akt der Freundschaft gewertet werden.«
»Das ist wahr.«
Er sah den alten Mann an. Die Antwort hatte sehr aufrichtig gewirkt. Nicht wirklich defensiv, auch nicht mit einem Unterton des »Ja, aber…«, es war einfach eine ehrlich gemeinte Zustimmung gewesen. Rheinberg erinnerte sich an seine Verzweiflung, an seinen Ärger, die Überzeugung, es gäbe nirgends mehr ehrbare Männer, niemanden, der zu echter Loyalität fähig sei. Doch jetzt entwickelte sich in seinem Herzen ein kleiner Hoffnungsschimmer. Möglicherweise hatte er zu vorschnell geurteilt, sich von der Stimmung des Augenblicks mitreißen lassen. Vielleicht war es doch nicht ganz so schlimm. Es steckte etwas dahinter.
»Was hat Euch also dazu bewogen?«, fragte er.
»Maximus’ Schergen haben meine Frau und meine Tochter entführt.«
Modestus sagte dies ohne Leidenschaft. Fast. Da war ein Gefühl in der Stimme gewesen, doch sorgsam unter Kontrolle. Das Aufblitzen eines Schmerzes.
Rheinberg blinzelte. »Was?«
»Vor einigen Wochen bereits. Der Comes hat dies langfristig vorbereitet. Er ist kein Dummkopf.«
»Das würde ich ihm auch nie vorwerfen«, räumte Rheinberg ein. »Das heißt, Ihr wurdet erpresst?«
»So ist es.« Modestus seufzte. »Heermeister, ich bin ein alter Mann. Ich habe nicht mehr allzu viele Jahre zu leben. Da fragt man sich, was ist eigentlich das Wichtige im eigenen Leben? Ist es das Amt, die Macht, ist es der Ruhm, ist es die persönliche Ehre? Oder konzentriert man sich nicht zum Ende hin auf die Dinge, auf die Personen, die wirklich wichtig sind, die eigene Familie, für die man doch mindestens genauso viel Verantwortung trägt wie für alles andere und die einen auf ganz eigene Art
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