Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
werfen und trieb die Legionäre zu neuem Eifer an.
Wahnsinn, dachte Joergensen. Das ist doch Wahnsinn.
Ein Ruderboot explodierte noch nahe an der Kaimauer. Schmitt hatte gefeuert. Splitter flogen umher, Teile des Bootes wie auch seiner Besatzung. Ein abgerissener Kopf flog in hohem Bogen auf den Kai und zerplatzte beim Aufschlag wie eine reife Frucht. Entsetzensschreie hallten über das Hafenbecken.
»Kanonenfutter«, flüsterte Joergensen leise und widerstand dem Impuls, den Befehl zu geben, das Feuer einzustellen. Er sah, wie weitere Boote sich lösten und auf die
Saarbrücken
zukamen, mit Offizieren, die ihre Männer anbrüllten, sich stärker ins Zeug zu legen. Die Angreifer wollten nicht aufgeben.
Joergensen wanderte wie in Trance auf die andere Seite der Brücke und sah, wie die Galeeren sich näherten, drei wieder, und kam gerade rechtzeitig, um Klose zu sehen, wie er das Backbordgeschütz ausrichtete und feuerte. Er war kein ausgebildeter Kanonier, musste aber das Handwerk aufgrund seiner Erfahrung gelernt haben. Er hatte gut gezielt, das Bugteil eines römischen Schiffes löste sich in Holztrümmer auf, der Schiffskörper senkte sich sofort ins Wasser und begann gurgelnd in das Hafenbecken zu sinken. Klose ließ sich keine Zeit, er schwenkte das Geschütz etwas, feuerte erneut, ein ohrenbetäubendes Krachen. Eine zweite Galeere wurde mittschiffs getroffen, förmlich auseinandergerissen, und man konnte kaum so schnell hinsehen, wie das Schiff im Wasser versank. Wieder das Krachen eines abgefeuerten Schusses, diesmal von Steuerbord, von Schmitt. Ein weiteres Ruderboot musste zerstört worden sein. Joergensen blieb, wo er war. Es war schlimm genug, die großen Galeeren sinken zu sehen, aber das sinnlose Gemetzel an den kleinen Booten widersprach so sehr allem, was er über den Seekrieg zu wissen glaubte, dass er sich diesen Anblick so lange wie möglich ersparen wollte. Das Geknatter der Gewehre und Handfeuerwaffen ertönte, als sich die Ruderboote näherten, und erstarb, wenn eine Salve eine Bootsbesatzung zersiebt hatte. Auch das wollte Joergensen eigentlich nicht näher in Augenschein nehmen.
Die letzte Galeere hatte genug, es war deutlich zu erkennen, wie der Trierarch dem Proreta hektische Anweisungen gab. Die Galeere verlangsamte sich, dann änderte sich der Rudertakt und das große Schiff ruderte rückwärts. Da wollte jemand der
Saarbrücken
so schnell wie möglich aus dem Weg gehen und Joergensen hoffte, dass Klose das genauso sah wie er selbst. Kein weiterer Schuss fiel. Der Unteroffizier wusste, dass jede der mächtigen Geschützpatronen unersetzlich war und man daher mit den Vorräten eisern haushalten musste. Es war sinnlos, auf einen fliehenden Feind zu feuern, nur um eine Nachricht noch eindringlicher zu unterstreichen, die beim Gegner offensichtlich bereits angekommen war.
Joergensen wandte sich widerwillig der Steuerbordseite zu, hörte das Geknatter der Gewehre und sah, wie sich die Kanone Schmitts auf ein weiteres Ruderboot richtete. Dann blickte er hinüber zur
Gratianus.
Das Schiff hatte sich irgendwie vom Kai gelöst und trieb ins Wasser. Er beobachtete, wie die
Valentinian
und die
Horaz
näher kamen, um längsseits zu gehen und gemeinsam die immer noch aktive Entermannschaft bekämpfen zu können. Er bemerkte, wie ein römischer Offizier den Männern in den Ruderbooten zuwinkte und etwas rief, und dann, wie dieser, getroffen durch die Gewehrkugel eines Schützen von der
Saarbrücken,
unvermittelt ins Wasser fiel.
Die
Gratianus
galt es zu retten.
»Börnsen, bringen Sie uns an die
Gratianus
heran, damit wir ein besseres Schussfeld für die Gewehre haben!«
»Es ist verdammt eng hier, Kapitän!«
»Ich lasse den beiden Dampfern signalisieren, dass sie sich absetzen sollen. Wir erledigen das. Halten Sie sich bereit.«
Börnsen bestätigte den Befehl mit zweifelndem Gesichtsausdruck. Der Offizier beachtete es nicht weiter.
Heute war nicht der Tag, an dem er es allen recht machen konnte.
Vor allem nicht sich selbst.
17
Heute war der große Tag.
Wie gut, dass sie sich auf der Insel frei bewegen durfte.
Julia war eine ordentliche Schauspielerin. Sie begann den Morgen zwar etwas früher als gewöhnlich, aber durchaus mit der üblichen Routine. Claudia half ihr dabei. Julia hatte die Freilassungsurkunde der Sklavin bereits ausgefertigt, doch benötigte sie die Unterschrift ihres Mannes, um sie rechtskräftig werden zu lassen – die oder die Verfügung eines
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