Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
Schüssen vertrieben werden. Das würde eine Weile sicher funktionieren, wenngleich die abschreckende Wirkung der Waffen aus der Zukunft der normalen Angst vor dem Tode gewichen war. Von einigen wenigen gar abergläubischen Geistern abgesehen hielt niemand die Metallstöcke noch für Dämonenwerk oder Hexerei. Die Erkenntnis hatte sich durchgesetzt, dass es sich um komplizierte und für den Laien kaum verständliche Handwerkskunst handelte – etwas, was ein Legionär rasch als effektive und legitime Waffe zu akzeptieren bereit war. Der Einsatz der Feldkanonen durch von Klasewitz hatte sicher auch dazu beigetragen, dass der Schrecken nachließ. Die Intelligenteren unter Andragathius’ Männern konnten mit etwas Fantasie nachvollziehen, wie aus den klobigen Bronzekanonen, mit der Zeit und dem richtigen Geschick, so etwas wie diese Metallstöcke werden konnte. Sie kannten ja auch den Unterschied zwischen den mächtigen, riesige Pfeile verschießenden Onagern und kleineren, vor der Brust zu spannenden Armbrüsten, die jedoch auf dem gleichen Prinzip basierten.
Der Kampf, in den Volkert nun ritt, war aber einer unter Gleichen. Keine Kanonen für die Männer des Maximus – vor allem nicht bei einer beweglichen Vorausabteilung – und keine Gewehre für die Männer von Volkert. Der Fähnrich sehnte sich nach einer Pistole, einem vollen Magazin. Aber er konnte noch nicht darum bitten. Nur einige wenige Offiziere aus der Armee des Theodosius waren mit Feuerwaffen vertraut gemacht worden. Es gab einfach nicht genug Munition, um selbst überzählige Gewehre oder Pistolen allzu freigiebig zu verteilen. Also behielt man sie bei jenen, die am besten und somit effizientesten damit umgehen konnten. Offiziell hatte Volkert noch nie in seinem Leben eine solche Waffe in Händen gehalten. Er konnte daher auch keine berechtigten Ansprüche anmelden, ohne sofort großes Misstrauen auszulösen.
Misstrauen konnte er derzeit gar nicht gebrauchen.
Secundus gesellte sich zu ihm, führte die Kolonne der Männer gemeinsam mit Volkert an. Sie waren die beiden einzigen Führungsoffiziere des Einsatzes, kein Tribun wurde ihnen zur Seite gestellt. Secundus sah dies als Vertrauensbeweis an, Volkert jedoch als einen Anspruch, den er einzulösen hatte. Secundus sah darin die Chance auf Ruhm und Reichtum (vor allem Reichtum), Volkert erinnerte sich an ein Schwert in seinem Bauch und an den Schmerz und das Blut. Die Wunde, obgleich wunderbar verheilt, tat ihm immer noch weh, vor allem morgens, wenn das Wetter feucht war und kühl und trübe. Bertius, der damals zur gleichen Zeit seinen Arm verloren hatte, fühlte sich genauso. Es waren seltsame Momente, wenn beide Männer, vor allem der sonst so geschwätzige Legionär, am frühen Morgen vor dem Zelt saßen und den Brei in sich hineinlöffelten, aus dem normalerweise ihr Frühstück bestand. Beide fühlten die Wunden und beide wussten, wie der andere unter der Erinnerung litt. Weder Volkert noch Bertius sahen die Verletzungen als Auszeichnung an wie andere Männer, die ihre Narben zur Schau stellten und als Anlass für endlose Angebereien benutzten. Ob nun aufgrund der gleichen Einstellung oder aus anderer Motivation: Volkert und Bertius waren sich darin einig, das Schmerz und Blut und Qual nichts war, über das man sich freuen oder mit dem man angeben konnte.
Das machte sie ziemlich unrömisch, fand Volkert. Einige seiner Offiziere in der Kaiserlichen Kriegsmarine hätten die Einstellung auch als ausgesprochen undeutsch und unmännlich bezeichnet. Wie schade, dass sich so manches über die Jahrhunderte aber auch gar nicht verändert hatte.
»Jetzt geht es los!«, sagte Secundus mit einem erwartungsvollen Grinsen, beugte sich hinüber und schlug Volkert mit Kraft auf die Schulter.
Dieser nickte nur. Er starrte auf den Weg vor ihm, den aus Stein und Erde wie auch den vor seinem geistigen Auge.
Keiner von beiden sah sonderlich vielversprechend aus.
23
Natürlich hatte er ihr geglaubt.
Als Julia Martinus Caius dargelegt hatte, dass ihr seine baldige Heimkehr zu Ohren gekommen war, und sie, treue Ehefrau, die sie war, natürlich alles darangesetzt hatte, um ihren so lange vermissten Gatten persönlich zu empfangen, hatte er dies mit einem Kopfnicken und einem geschmeichelten Grinsen zur Kenntnis genommen. Zu viel mehr war er nach der Seereise nicht in der Lage gewesen. Seine Völlerei und Trunksucht hatte sich mit dem Geschaukel der Schiffsfahrt nicht gut vertragen und er hatte
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