Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
doch er riss sich zusammen. Wenn er jetzt schlappmachte und sich überwältigt zeigte, würde das Vertrauen seiner Leute in ihn schwinden. Egal, wie er sich fühlte, er musste so wirken, als bringe ihn nichts aus dem Gleichgewicht.
Landmann und Reta trafen ein und von ihren Gesichtern war die Sorge deutlich abzulesen. Ehe Rheinberg etwas sagen konnte, ergriff der römische Arzt das Wort. Er war ein kompakt gebauter Mann mit zurückgehendem Haaransatz, um die 50 Jahre alt und damit bei der hiesigen Lebenserwartung ein sehr alter Mann. Landmann war ein echter Kontrast: hochgewachsen, schlaksig, mit einem schmalen, fast hageren Gesicht und einer prominenten Nase, über die er des Öfteren Spott ertragen musste. Er war knapp 22 Jahre alt und überließ Reta schon aus Höflichkeit das Wort.
»Heermeister, das ist eine Katastrophe!«, erklärte der Arzt lautstark und lehnte sich keuchend an die Wand. »Neumann hat uns davor gewarnt. Er hat uns immer wieder davor gewarnt. Die Ratten, hat er gesagt, die müssen wir ausrotten und die Städte sauber halten. Den Abfall beseitigen. Sauberkeit. Die beste Waffe gegen die Pest.«
Rheinberg war kein Arzt, aber so viel wusste er auch. »Das hilft uns jetzt aber nicht weiter«, erklärte er. »Ist die Pest einmal ausgebrochen …«
»Aber nein. Wenn wir ihre Ausbreitung verhindern wollen, müssen wir die Befallenen isolieren, die Ratten bekämpfen, den Abfall beseitigen.«
»Ich bin mir sicher, vieles von dem wird bereits gemacht«, meinte Rheinberg. Reta seufzte und nickte. »Ja, wir haben unsere Erfahrungen mit der Pest.«
»Was können wir tun, um sie zu bekämpfen?«
Reta und Landmann wechselten einen ratlosen Blick. »Da hatte auch Neumann keine Antwort parat, als wir dieses Thema besprochen haben«, erwiderte der Medicus nun kleinlaut und Landmann nickte nur. »Man kann die Ausbreitung durch entschlossenes Handeln unter Kontrolle bekommen, aber wer einmal krank ist …«
»Manche überleben von selbst«, meinte Landmann. »Man muss nicht daran sterben. Aber die Todesrate ist immens hoch.«
»Knoblauch«, sagte Reta nun. »Wir geben Pestkranken immer viel Knoblauch zu essen. Bei manchen scheint dies die Wahrscheinlichkeit der Heilung zu befördern.«
»Wie heilen wir die Pest in unserer Zeit?«, fragte Rheinberg Landmann. Der zuckte nur mit den Schultern.
»Eigentlich gar nicht, Herr Kapitän.« Für die Zeitenwanderer war Rheinberg weiterhin nicht in erster Linie der Heermeister, sondern der Kapitän, auch wenn Joergensen offiziell diese Position eingenommen hatte. »Wir verhindern ihren Ausbruch. Doktor Neumann meinte, dass es Forschungen bezüglich neuer Mittel gäbe, von denen einige Wissenschaftler meinen, dass sie bei solchen und anderen Infektionskrankheiten helfen könnten.« Landmann zerfurchte die Stirn und dachte einen Moment nach. »Er erwähnte einen Mann namens Paul Ehrlich. Er wusste nicht sehr viel darüber, aber immerhin, dass viele in diese neuen Medikamente große Hoffnungen setzen würden. Aber im Ernst: Würde die Pest breitflächig im Deutschen Reich ausbrechen, dann würden sehr viele Menschen sterben, denn eine echte Heilungsmethode gibt es nicht.«
Rheinberg starrte Landmann an. Er hatte auf eine andere Antwort gehofft. Die Pest war eine Seuche der Vergangenheit für ihn, eine Geißel des Mittelalters, aber keine der Neuzeit. Er war fest davon ausgegangen, dass die moderne Wissenschaft ein Heilmittel gefunden hatte.
»Dann … dann können wir nichts tun«, murmelte er.
»Wir können bei der Prävention helfen«, erklärte Landmann. »Ratten bekämpfen, wie Meister Reta bereits sagte. Allgemein hohe Standards in der Sauberkeit. Isolierung der Erkrankten. Und dann hoffen, dass die Infektionsrate niedrig genug bleibt, dass die Seuche von selbst abklingt.«
Rheinberg fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Das alles ist sinnvoll, wenn wir einen funktionierenden und leistungsfähigen Staat hätten, um alle wichtigen Maßnahmen durchzusetzen. Doch wir haben einen Bürgerkrieg und das Schlimme ist, Kriege sind dafür bekannt, die Verbreitung von Seuchen noch zu fördern.«
»An einen Feldzug aus dem Osten in den Westen ist nicht zu denken«, meinte nun Joergensen. »Nicht nur, dass viele Legionäre bald nicht mehr reise- und kampffähig sein werden – sie werden darüber hinaus die Seuche in das gesamte Reich tragen. Wir mögen Maximus bekämpfen wollen, es ist aber nicht unser Ziel, die halbe Bevölkerung auszurotten.«
Rheinberg nickte.
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