Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
Segel wurde eingeholt. Jedoch machte es keinerlei Anstalten, so nahe an die
Saarbrücken
zu kommen, dass ein Übersetzen möglich gewesen wäre. Stattdessen hielt man einen respektvollen Abstand, gerade genug, um sich mit lautem Rufen verständigen zu können.
Rheinberg und Joergensen wechselten einen Blick, verließen die Brücke und begaben sich zur Reling. Der Bote wartete geduldig auf sie, und als er der beiden Männer ansichtig wurde, winkte er ihnen zu.
»Ich bin Livecius, Gesandter der Stadtverwaltung. Ich grüße Euch, Heermeister Rheinberg!«
Rheinberg rief einen Gruß zurück, dann: »Was ist passiert? Gibt es ein Problem in der Stadt?«
Der Römer nickte heftig. »Herr, Ihr dürft Euch dem Hafen nicht weiter nähern. Bleibt außerhalb von Reede und Anlegestelle. Besser noch: Dreht ab und sucht Euch ein anderes Ziel!«
»Warum? Wir wollen an Land gehen und den Kampf gegen Maximus organisieren!«, gab Rheinberg zurück.
»Das wird nicht möglich sein. Die Stadttore sind geschlossen. Jeder Schiffsverkehr wurde verboten.«
»Was ist passiert?«
»Die Pest!«, rief Livecius. »Die Pest ist ausgebrochen!«
Rheinberg starrte auf den Mann. Er schüttelte langsam den Kopf, als würde das helfen, die Tragweite der Nachricht besser zu begreifen. Livecius sah dies als Aufforderung weiterzusprechen.
»Viele Tausend sind befallen, Herr! Darunter auch viele der hier stationierten Legionäre! Wir verbrennen die Leichen und ihre Häuser, aber es führt zu gar nichts, die Pest breitet sich immer weiter aus! Im Umland hat es auch begonnen! Ihr dürft nicht nach Thessaloniki kommen, sonst werdet Ihr der Krankheit ebenfalls zum Opfer fallen!«
Livecius machte eine ausholende, gleichzeitig resignierende Bewegung mit beiden Armen. »Wenn Ihr Zeitenwanderer eine Lösung wisst, ein Hilfsmittel, dann bitten wir Euch um Hilfe. Kennt Ihr nichts, so haltet Euch fern. Reist nach Konstantinopel und warnt die Regierung dort. Was hier ausgebrochen ist, kann sich rasend schnell ausbreiten, obgleich wir alles tun, um dies zu vermeiden. Aber bleibt uns fern, wenn Ihr kein Wundermittel kennt, dass Euch vor der Seuche zu schützen vermag!«
Joergensen war es nun, der den Kopf schüttelte. »Das sollen wir einfach so glauben, Livecius?«
Der Bote nickte resigniert. »Das hoffe ich doch!«
Er griff an seine Toga, ließ sie fallen und hob die Arme. Rheinberg und Joergensen starrten auf seinen nackten Körper, übersät mit Pestbeulen an Hals, der Leistengegend und in den Achselhöhlen. Livecius selbst war infiziert, und dass er es trotz der Krankheit auf sich genommen hatte, hier hinauszusegeln und als lebender Beweis zu fungieren, um weiteres Unheil von den Reisenden abzuhalten, war beachtlich.
Dann bückte sich der Mann und legte sich den Stoff wieder über. Er winkte noch einmal, hatte seine Nachricht überbracht, den Beweis geliefert. Die beiden Seeleute setzten das Segel und das kleine Boot wendete, um in den Hafen zurückzukehren. Als ob das Schicksal die Infektionsgefahr so schnell wie möglich von der
Saarbrücken
fortbringen wollte, hatte der Wind günstig gedreht und eine leichte Brise füllte den Segelstoff.
Rheinberg fühlte sich benommen. Er holte heftig Luft.
»Bringt den Medicus! Und Landmann!«
Joergensen gehorchte sofort. Die beiden Männer, nach denen Rheinberg geschickt hatte, waren in vielen Dingen sehr unterschiedlich. Sie teilten jedoch eine starke Leidenschaft für die medizinische Wissenschaft. Der »Medicus«, das war Salvanius Tullius Reta, ein Mann, der bereits vor der Ankunft der Zeitreisenden als Arzt gearbeitet hatte, ein Absolvent der berühmten gallischen Medizinschulen. Neumann hatte in ihm einen sehr eifrigen und verständigen Schüler gefunden, der das neue Wissen des Arztes wie ein Schwamm in sich aufgesogen hatte. Der Sanitätsgefreite Landmann wiederum war ein Mitglied der Kompanie von Geerens, einer von zwei Sanitätern und ein intelligenter und lernbegieriger dazu. Gut zwanzig Jahre jünger als Reta, hatte sich Landmann als Assistent Neumanns bewährt. Zusammen mit Reta war er der beste Schüler von Neumanns kurzlebiger medizinischer Akademie gewesen und von beiden erwartete der Bordarzt, dass sie einst vollwertige Ärzte im modernen Sinne sein würden. In Abwesenheit Neumanns bemannte das Duo das kleine Lazarett der
Saarbrücken.
Rheinberg begab sich wieder auf die Brücke, das Gesicht blass, die Stirn zerfurcht. Er hatte für einen winzigen Moment das Bedürfnis, einfach fortzurennen,
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