Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
Grundlage stellen«, fand Rheinberg bemerkenswert. Der alte Mann hatte die weite und anstrengende Reise aus nachvollziehbaren Gründen nicht mitgemacht, fand sich aber eloquent und überzeugend durch seinen designierten Thronfolger vertreten, der seine besondere Stellung als Gläubiger der Dankbarkeit Roms ohne falsche Scheu und Bescheidenheit zu nutzen gedachte.
»Wir haben jedenfalls hier keine Probleme mehr«, sagte Rheinberg, als es um die aktuelle Situation ging. »Die Truppen des Maximus sind im Gewahrsam und weitgehend demoralisiert. Wir werden die meisten nach einer Wartezeit in die eigenen Verbände aufnehmen, sie sind zu wertvoll für uns. Die verräterischen Präfekten liegen auf dem Boden und winseln um Gnade, sie sind ihrer Truppen beraubt und haben auf das falsche Pferd gesetzt. Sie werden alle ihre Posten verlieren und viele wahrscheinlich auch ihr Leben. Das Ganze läuft unter Hochverrat, und da dürfen wir in der Tat keine Schwäche zeigen. Letztlich wird das aber eine Sache des neuen Imperators sein.«
Neumann blickte Rheinberg fragend an. »Wie sieht da die Situation aus, Jan? Ich hörte, dass du keinerlei Ambitionen hast.«
»Ich bin nicht von Klasewitz. Ich glaube nicht, dass ich mich als Kaiser besonders lange halten könnte. Ich bin immer noch zu weit von allem entfernt, von den Legionen, vom Senat, allen wichtigen Kräften, auf die sich ein Kaiser stützen muss. Die Hälfte der Christenheit hasst mich, weil ich keine allein selig machende Staatskirche befürworte, bei diesen Römern ist mein Ansehen völlig verbrannt. Und mal ehrlich: Als Heermeister habe ich mich auch nicht mit Ruhm bekleckert. Sobald klar ist, wie die neue Machtstruktur aussieht, werde ich das Amt abgeben. Ich werde die Saarbrücken kommandieren und alles daransetzen, dass wir das Werk fortsetzen, das wir vor dem Bürgerkrieg bei Ravenna begonnen haben. Es gibt so viele Projekte und Vorhaben – wir müssen diese wieder aufnehmen. Ich habe gehört, Kaffeerösten gehört jetzt auch auf unsere Liste …«
»So ist es, mein Freund«, bestätigte Neumann lächelnd. »Aber um auf meine Frage zurückzukommen: Arcadius ist damit neuer Kaiser? Unter Vormundschaft seiner Mutter und des Senats? Wird das die Lösung sein?«
Rheinberg zuckte mit den Schultern. »Etwas in der Richtung zeichnet sich ab.«
»Und die Saarbrücken?«
»Wir kehren mit dem Heer nach Italien zurück und reetablieren unsere Herrschaft. Der Osten ist diesbezüglich einigermaßen sicher, wir müssen jetzt aber einiges an Personal im Westen auswechseln. Hier hoffe ich jedoch, auf allzu große Exempel verzichten zu können. Ich will nicht auch noch die nächsten Monate eine Blutspur hinter mir herziehen.«
Neumann sah Rheinberg prüfend an, sagte aber nichts. Die scharfen Falten im Gesicht des jungen Mannes zeugten von den Strapazen, die dieser hinter sich gebracht hatte, sowohl körperlicher wie auch seelischer Natur. Der Verlust von Geerens und vieler seiner Kameraden lastete schwer auf ihrer aller Bewusstsein, und damit war vom Tode vieler römischer Freunde und Weggefährten noch gar nicht gesprochen worden. Neumann war sich darüber im Klaren, dass er in allerletzter Sekunde eingetroffen war. Sie waren Tag und Nacht marschiert, um es überhaupt zu schaffen. Hätten die Männer des Maximus gewusst, wie erschöpft und am Rande ihrer Kräfte die Soldaten des Entsatzheeres wirklich gewesen waren, möglicherweise hätten sie nicht so schnell das Ende der Feindseligkeiten durch Kapitulation herbeigeführt.
Doch Neumann war froh, dass es jetzt so ausgegangen war.
»Hat Maximus nicht noch Truppen in Italien oder Gallien? Sicher sind seine Gefolgsleute in Britannien fest im Sattel«, gab Köhler nun zu bedenken. Rheinberg lächelte schwach.
»Gefolgsleute ja, aber nur mit wenigen Machtmitteln. Maximus hat die Schlacht gegen uns wagen können, weil er alle Truppen zusammengezogen hat, derer er habhaft werden konnte. Es gibt noch Kastelle der Grenztruppen in Gallien, die er vernünftigerweise nicht ganz entblößt hat, aber seine schlagkräftigsten Einheiten sind hier – und unsere Gefangenen. Wir dürfen keinen ernsthaften Widerstand erwarten. Andere Dinge machen mir viel mehr Sorgen – die Rolle des Ambrosius in diesem Ränkespiel, die sich weiter ausbreitende Pest, die drohende Gefahr der Völkerwanderung, die wir keinesfalls bereits überwunden haben. Wer auch immer letztlich die Führung des Imperiums übernimmt, die Liste der Herausforderungen, denen er
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