Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
gewesen, dass Claudia auf Männer nicht attraktiv gewirkt hätte. Und sie hatte auch kein Keuschheitsgelübde abgelegt. Dennoch war sie bei der Auswahl ihrer Partner sehr wählerisch vorgegangen, vor allem da es immer ihr Ziel gewesen war, einen Freien zu becircen, der dann zu einer Heirat bereit wäre und sie aus dem Status einer Sklavin befreit hätte.
So einer hatte sich nie gefunden.
Sklavin war sie aber mittlerweile auch keine mehr. Eine freie Frau, so begrenzt diese Freiheit in der Gesellschaft des Imperiums auch sein mochte, wo alles am Manne hing und nur wenige Frauen, solche mit Charisma, Macht oder eben den Pfunden an den richtigen Körperstellen, an höchste Positionen gelangten. So weit ging Claudias Ehrgeiz gar nicht. Ihre Ziele waren bescheidener und sie wähnte sich in greifbarer Nähe eines wichtigen Meilensteins auf dem Weg zu dem Leben, das sie sich erträumte.
Jetzt, wo Claudia frei war, hatte sich ihr Interesse an Männern schlagartig erhöht. Anstatt als Sklavin Kinder in Unfreiheit zu gebären, gab es nun eine gute Chance, dass ihr Nachwuchs in Freiheit geboren wurde – und in Ehre, was nun einmal eine Heirat voraussetzte. Das eine war mindestens genauso wichtig wie das andere. Beides bedeutete für eine ehemalige Sklavin sehr viel. Und wenn es dann auch noch gelang, auf den richtigen Mann zu setzen – und ein erfolgreicher Zenturio war keine üble Partie, wenn er auch noch einigermaßen gut aussah und sich nicht wie ein Martinus Caius benahm –, dann war alles perfekt.
Claudia war gewitzt. Die Erlebnisse ihrer Herrin mit ihrem Ehemann hatten sie sehr aufmerksam und kritisch werden lassen. Sie achtete auf die wichtigen Dinge und informierte sich. Ihr Auserkorener war offenbar kein unbeschriebenes Blatt, aber weder ein Hallodri noch jemand, der gegenüber anderen als dem Feind zu unnötiger Gewalt neigte. Claudia hatte daher beschlossen, auf ihn zu setzen, und das in der Hoffnung, dass er den Krieg überleben würde.
Julia seufzte leise. Diese Hoffnung hatte sie mit ihrer Freundin gemein. Der Unterschied bestand darin, dass sie nicht wusste, wo Volkert sich befand und wie es ihm ging. Claudia hatte ihr da etwas voraus, doch erfüllte sie dies nicht mit Neid. Sie hatte gelernt, dass man in diesen Zeiten für jeden Augenblick des Glücks dankbar sein musste, verging er doch sehr schnell wieder.
Sie betrachtete ihre Tochter, die im Schlaf die Lippen vor- und zurückschob, als würde sie über etwas Wichtiges nachdenken.
Für wirklich jeden Augenblick.
»Da vorne ist er!«, rief Claudia etwas undeutlich. Die klebrigen Datteln im Mund trugen nicht zu einer klaren Aussprache bei. Sie bemerkte das selbst und kaute tapfer, um für das sich nun anbahnende Gespräch den Mund frei zu haben. Den kleinen Sack mit den restlichen Früchten, den sie gerade erworben hatte, verstaute sie rasch im Tragebeutel, den sie mit sich trug.
»Er ist nicht allein«, bemerkte Julia. »Das muss sein Vorgesetzter sein.«
»Ein Anstandswauwau«, kicherte Claudia. »Süß!«
Julia zeigte mildes Interesse, als die beiden Männer, die noch weit von ihr entfernt waren, langsam in ihre Richtung marschierten. Der Zenturio wies auf einen großen Stand mit Säcken voller Getreide, während sein Begleiter sich eine Notiz auf einer langen Liste machte.
»Komm, wir gehen ihnen entgegen!«, sagte Claudia aufgeregt und zupfte an Julias Gewand. Diese ließ sich mitziehen, wobei sie aber auf unziemliche Geschwindigkeit verzichtete. Man durfte es Männern nicht zu leicht machen. Zeigte man das Interesse nur allzu deutlich, galt man als leichte Beute. Es war immer notwendig, die Früchte etwas höher zu hängen.
Claudia rückte ihr Kleid zurecht, das, wie Julia kritisch bemerkte, oben herum ein klein wenig zu eng zu sein schien. Es schien, als wolle Claudia zumindest einige Früchte angemessen präsentieren. Diese Auslegeware würde die Aufmerksamkeit des Zenturios ohne Zweifel sofort fesseln, dessen war Julia sich sicher.
Dann waren sie heran.
»Secundus!«, rief Claudia. Der Zenturio sah auf, sah dorthin, wo er hinsehen musste, und sein freundliches Lächeln wurde noch freundlicher.
Der andere Mann sah auf, blickte ebenfalls auf Claudias Brüste, und dann …
Dann war da dieser Moment.
Es gab Augenblicke, in denen man baden konnte.
Sie währten ewig, zogen sich in die Länge. Sie beinhalteten den Höhepunkt lange gehegter Wünsche und kamen so unvermittelt, dass sie nur als heilig zu bezeichnen waren.
Julia und Volkert
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