Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
seinen schmalen Lohn und verließ das Schiff mit den besten Wünschen der durchweg gesättigten Mannschaft.
Seltsam, wie die Dinge sich manchmal entwickelten, dachte der Gote dabei. Er hatte sein Leben als Adliger, als Krieger geführt, war dann ein Attentäter geworden, ein Leibwächter, ein Köhler, ein Botschafter, ein Fuhrmann und ein Koch. Es schien, als wolle sich das Schicksal noch nicht so richtig entscheiden, in welche Richtung sich sein Leben eigentlich zu entwickeln hatte. Und mit jedem Schritt verstand Godegisel, dass sich ihm trotz aller Fährnisse und Rückschläge eine große Auswahl an Möglichkeiten eröffnete und dass es viele Wege gab, die Glück und Zufriedenheit verhießen. In fast allem, was er getan hatte, lag Freude und Befriedigung, selbst in seiner gescheiterten Mission als Diplomat bei seinem eigenen Volk. Das Verständnis half ihm nicht, eine bewusste Entscheidung über seinen weiteren Weg zu treffen, aber es erfüllte ihn mit großer Neugierde, welche weiteren Möglichkeiten sich ihm noch eröffnen würden. Ihm war bewusst, dass er irgendwann müde werden würde, und das Bedürfnis, Ruhe zu finden, wurde manchmal durchaus übermächtig in ihm. Rastlosigkeit war nichts, was ihm in die Wiege gelegt worden war, sie war das Produkt seines bisherigen Schicksals, dem er sich oft genug nur widerwillig ergeben hatte.
Als er den Boden von Ravenna betrat und seine Augen suchend die angelegten Schiffe entlangwanderten – sogleich auf der Suche nach einer weiteren Passage, diesmal in Richtung Afrika –, spürte er, dass er frei war.
Hier und jetzt, so schoss es ihm durch den Kopf, konnte er frei entscheiden, wohin es gehen sollte. Er konnte eine Heuer annehmen. Er konnte nach Gallien reisen und eine Köhlerstochter davon überzeugen, dass er kein Lügner war. Er konnte zu den Goten zurückkehren und ein Leben in Ehren beginnen. Er konnte nach Afrika reisen und sich erneut Rheinberg und dem Kaiser anschließen.
Er schloss die Augen.
Freiheit war gut. Manchmal war sie aber auch eine Belastung. Entscheidungen zu treffen, war so viel einfacher, wenn Gott einen in eine Richtung drängte. Doch hier, im Hafen von Ravenna, verließ Godegisel das Gefühl der Vorbestimmung und er spürte zum ersten Mal so richtig, wie es war, frei zu sein.
Er öffnete die Augen.
Das stimmte natürlich nicht. Er hatte sich selbst Regeln auferlegt, eine Moral, eine Verpflichtung, gleich mehrere sogar. Er wäre nicht mehr er, würde er diese abstreifen wie eine dreckige Tunika. Godegisel holte tief Luft.
Alsdann.
Er quartierte sich in einem Fremdenzimmer einer Taverne ein, die von Seeleuten frequentiert wurde, die auf der Suche nach einer neuen Fahrt waren. Der Preis war akzeptabel, und da Godegisel, von seiner Kleidung und dem bescheidenen Vorrat an Bargeld einmal abgesehen, über kaum persönliches Hab und Gut verfügte, störte es ihn auch nicht, den Schlafraum mit drei anderen Männern teilen zu müssen. Als er diesen betrat und der Schankwirt ihm sein Bett zeigte, kam ihm übler Alkoholdunst entgegen. Zwei der anderen Bewohner lagen schnarchend in ihren Betten und hatten die letzte Nacht ganz offensichtlich damit verbracht, die Reste ihrer Barschaft in Flüssigkeit umzusetzen. Der Schankwirt sah es gelassen, nicht nur deswegen, weil hier jeder die Unterkunft im Voraus bezahlte, sondern auch, weil besagte Flüssigkeit aus seinen Amphoren stammte.
Auch sonst war der Schankwirt ein hilfsbereiter Mann. Als Godegisel ihn nach den Möglichkeiten fragte, nach Afrika zu reisen, schüttelte er betrübt den Kopf. »Die meisten Schiffe sind schon auf See, junger Mann. Die Getreidesegler aus Afrika sind unterwegs, aber nur wenige kommen hierher. Es gibt jedoch eine Möglichkeit, die Passage zu machen, wenn dir das nicht zu viel ist. Maximus baut an seiner Flotte, auch hier in Ravenna, und es werden Seeleute gesucht, die helfen, die Legionen nach Afrika überzusetzen. Du kannst dich für die Streitkräfte melden oder als Zivilist anheuern, die nehmen derzeit jeden. Ich kann dir sagen, wo du dich melden sollst. Aber beeile dich. Die Gerüchte sagen, dass der Aufbruch bald bevorsteht. Der Zeitenwanderer ist mit seinen Zauberschiffen fertig, jetzt wartet man nur noch auf den Rest der Flotte. Maximus konfisziert jedes geeignete Schiff. Noch ein Grund, warum du derzeit keine zivile Heuer bekommst. Die Kriegsflotte ist deine einzige Chance, wenn du es eilig hast.«
Godegisel bedankte sich für die Auskunft und marschierte noch am
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