Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
den Finger zu wickeln. Allerdings hatte sie einen langen Brief an Lucia geschrieben und ihr die Umstände ihrer Trennung von Martinus Caius geschildert. Egal, wie traditionell und borniert ihre Mutter auch denken und handeln mochte, diese Vorgehensweise, gar die Bedrohung des Lebens ihrer Enkelin, würde Lucia niemals tolerieren. Bürgerkrieg hin oder her, Julia war sich recht sicher, dass ihre Mutter bereits darüber nachdachte, welche Mittel geeignet wären, um Martinus Caius in angemessener und befriedigender Weise dauerhaft zu erniedrigen.
Julia war es recht.
Ihre Tochter hatte sie um den Brustkorb gebunden. Die Kleine betrachtete das Markttreiben mit schläfriger Gelassenheit, war sie doch erst vor Kurzem gestillt worden. Sie hatte ja schon einige Reisen hinter sich gebracht und in ihren jungen Jahren viel von der Welt gesehen, also schien der Markt von Hadrumentum nur relativ wenig Interesse wert zu sein. Sie gähnte herzerweichend und stieß ein zufriedenes Glucksen aus, ehe sich die Äuglein vollends schlossen. Julia strich ihr sanft über den Kopf.
An einem Stand, bewacht von zwei vierschrötigen Sklaven mit mächtigen Prügeln in den Händen, wurden Kelche aus Glas verkauft, besondere Kunstwerke und alle sündhaft teuer. Sie standen auf samtenen Tüchern, die auf dem Tisch ausgebreitet worden waren. Vor dem Verkaufstisch lag ein schwerer, weicher Teppich, sollte ein Kunde doch einmal unachtsam sein und eines der kostbaren Stücke fallen lassen. Julias Auge fuhr wohlgefällig über die Ware. Sie hatte kein Heim und kein Haus, keinen Ort, der ihr eine Heimat war. Diese Rastlosigkeit ihres Lebens verbat es ihr, an eine so teure Ausstattung ihres Lebens zu denken, aber das hielt sie nicht davon ab, einen Moment innezuhalten und sich vorzustellen, wie sie zum Abendessen mit ihrem Mann und geladenen Freunden in ihrem Haus zu Tische lag und den Wein in den funkelnden Glaskelchen betrachtete.
Eines Tages vielleicht.
Claudia hatte für die Kelche nur ein beiläufiges Auge. Ihre Unterkunft, bereitgestellt von den städtischen Behörden, lag nicht weit vom Forum entfernt, und wenn sie wollte, konnte sie täglich einkaufen gehen. Ihr heutiger Ausflug hatte daher auch weniger mit der Freude am Einkauf zu tun – obgleich diese Freude durchgängig und permanent war, vor allem eine willkommene Ablenkung von dem Gedanken an die nahende, finale Auseinandersetzung –, sondern mehr mit Claudias Verabredung.
Die Freigelassene blieb an einem Stand stehen, der kandierte Datteln feilbot. Seit ihrer Ankunft in Nordafrika hatte Claudia ihre Begeisterung für diese Früchte entdeckt, die allein schon schwer und süß genug waren. In der kandierten Form explodierte die Süße sozusagen in Wellen im Mund, und Claudia schätzte diese Explosionen mit Inbrunst. Außerdem, so meinte sie, müsse sie an den richtigen Stellen ein paar Pfund ansetzen. Julia bezweifelte zwar, ob die von ihrer Freundin gewählte Strategie die richtige war, wusste aber, dass das Ziel keinesfalls nur Selbstzweck darstellte. Denn das Auge der Claudia ruhte seit einigen Tagen mit Wohlgefallen auf der Gestalt eines jungen Zenturios, der für eine Weile den Wachdienst für die mitgebrachten Zivilisten organisiert hatte und dabei öfters, rein zufällig und nur in Erfüllung seiner Dienstpflichten, in ihrem Quartier aufgetaucht war, um zu Julia höflich, zu Claudia aber nahezu charmant zu sein – jedenfalls mit dem Maße an Charme, zu dem ein roher Soldat fähig war. Wahrscheinlich war es genau das, was Claudia attraktiv fand. Jedenfalls hatte er ihr gesteckt, dass er heute auf dem Markt zusammen mit seinem Vorgesetzten Vorräte für die Legionen organisieren wolle, die unweit der Stadt ihr Feldlager errichtet hatten und bald, so sagte das Gerücht, aufbrechen würden, um sich auf die Schlacht gegen Maximus vorzubereiten, entweder hier in Afrika oder zurück in Italien.
Claudia war ja auch nicht mehr die Jüngste. Dass sie zu ihrer Zeit als Sklavin nicht zwangsweise zur Fortpflanzung abkommandiert worden war, hing primär damit zusammen, dass sie als Sklavin im Hause Michellus solchen Praktiken nicht unterworfen wurde. Es gab Dinge, in denen der Senator und seine Frau seltene Eintracht zeigten. Junge Sklavinnen als Gebärfleisch zu benutzen, das war etwas, was sie beide nicht billigten. Den natürlichen Dingen ihren Lauf lassen, dagegen hatten sie nichts einzuwenden. Aber dazu gehörte manchmal eben auch, dass sich nichts ergab.
Es war dabei keinesfalls so
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