Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
sich dann doch sehr zu wundern, wenn diese im entscheidenden Moment eben nicht die Seiten wechselten, sondern weiter für Theodosius stritten. Damit würde der taktische Plan des Maximus sich in Luft auflösen und er möglicherweise – idealerweise – zu dem Schluss kommen, dass sich eine Fortsetzung der Schlacht nicht lohnte.
Daran wiederum glaubte Rheinberg nicht. Hier ging es um zu viel. Wenn der Usurpator auch nur eine kleine Chance sah, vor allem mithilfe der Kanonen des Freiherrn, dieses Treffen für sich zu entscheiden, dann würde er beharrlich bleiben, egal wie sehr der Rückschlag ihn auch bewegen mochte.
Es würde eine lange, eine blutige Schlacht werden. Und eine unnötige, wenn man sich die bitteren Ereignisse des Vortages noch einmal vor Augen führte.
Godegisel hatte seine Erklärung mit ständig größer werdenden Augen vernommen und mehrmals ungläubig den Kopf geschüttelt. Er hatte dann noch von seinen Erlebnissen bei seinem eigenen Volk berichtet, der gescheiterten Botschaftermission und seinem wechselvollen und ereignisreichen Weg zurück zum Hof. Seine Geschichte war mit allgemeiner Spannung und großem Lob begleitet worden. Am Ende hatte der Gote gezeigt, dass er einerseits froh darüber war, dass seine Informationen nicht so katastrophal waren, wie er befürchtet hatte … andererseits aber hin und wieder angedeutet, dass er sich nicht sicher war, ob dieser wunderbare Plan sich tatsächlich so umsetzen lassen würde. Was, wenn es Verrat im Verrat gäbe?
Rheinberg hatte diesen Gedankengang nicht weiterverfolgt. Er hatte ihm aber eine unruhige und sehr kurze Nacht beschert. Godegisels Geschichte hatte ihn tiefer bewegt, als er zugeben wollte. Allein Theodosius schien wieder unbeschwert und optimistisch zu sein – vielleicht aber auch nur schlicht aus Prinzip, denn vom Kaiser wurde Gottvertrauen und Zuversicht erwartet, und das in jeder Situation.
Godegisel hatte sich dann zurückgezogen. Er war geschwächt und niemand nahm ihm übel, an den Kämpfen nicht teilnehmen zu wollen. Jeder fand, dass er mehr als das Seine getan und viele Mühen auf sich genommen hatte. Jetzt lag die Aufgabe in den Händen der anderen.
»Noch eine halbe Stunde, dann sind alle in Position«, erklärte Richomer. Die vormals eher vagen Zeitangaben der Römer, die sich vornehmlich an Sonnenuhren orientierten, waren exakten Angaben gewichen. Alle Generäle hatten eine der wenigen Taschenuhren bekommen, die sie in der Mannschaft der Saarbrücken eingesammelt hatten und die wie Augäpfel gehütet wurden. Dahms hatte erklärt, dass es ihm möglich sein sollte, früher oder später große Wand- oder Standuhren zu konstruieren, dass die Miniaturen eines Uhrwerkes, das jeder mit sich tragen konnte, jedoch bis auf Weiteres unerreichbar sein würden. Es fehlten bei Weitem die Werkzeuge, um die Werkzeuge zu bauen, die notwendig waren, damit ein so kleines Uhrwerk entstehen konnte.
Rheinberg beobachtete, wie Gaudentius, der führende Präfekt der afrikanischen Provinzen, auf sein Pferd stieg und ihm zuwinkte. Der Präfekt hatte offenbar das Bedürfnis, bei seinen Männern zu sein, wenn die Schlacht losging, und direkt am Ort des Geschehens die Befehle zu erteilen. Rheinberg konnte es ihm nicht verübeln. Es stand viel auf dem Spiel und man konnte nie wissen, ob einer der Unterführer nicht doch in der Tasche des Gegners steckte. Es war gut, persönlich ein Auge auf alles zu haben. Gaudentius kannte den Schlachtplan und wusste, welche Befehle was bedeuteten. Er würde seine Sache gut machen.
Rheinberg drehte sich um. Godegisel war an seine Seite getreten, trug eine volle römische Offiziersuniform. Er hatte lange geschlafen und ausgiebig gefrühstückt, und er hatte darum gebeten, Zeuge der Schlacht sein zu dürfen. Rheinberg hatte es ihm nur zu gerne gestattet. Es war erstaunlich, wie gelassen er neben demjenigen agierte, der Jonas Becker getötet hatte. Godegisel selbst hatte sich auch verändert, und damit war nicht einmal das Ausmaß gemeint, mit dem die Krankheit ihn gezeichnet hatte. Der junge Adlige war jetzt ein anderer Mensch als vor einem Jahr, als er auf dem Schlachtfeld zu Adrianopel gegen Valens angetreten war. Das konnte man eigentlich über sie alle sagen. Wenn dies hier vorbei war, würde er den Mann fragen, wie er sich seine Zukunft vorstellte. Er konnte es sich nicht recht vorstellen, dass der Gote einfach in eines der Dörfer im Osten des Reiches zurückkehren würde, um ein Dasein als Landadliger zu
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