Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
ohnehin etwas aus der Mode gekommen – oder sie anderweitig mundtot machen. Er durfte sie nicht einmal ihrer Ämter entkleiden und auf einen einsamen Posten versetzen, jedenfalls nicht, solange sich ihre Äußerungen in einem gewissen Rahmen befanden.
Das waren natürlich keine sehr erfreulichen Aussichten.
Andererseits sollte es ihm gelingen, sich mit anderen Aspekten seiner neuen Herrschaft zu erfreuen, die ihm sehr zugutekommen würden. Jeder brauchte sein Steckenpferd, mit dem er seine … Interessen ausleben konnte. Wenn er ansonsten angemessen arbeitete und das Gleichgewicht der Kräfte beibehielt, die Grenzen sicherte und ein braver Christ war, sollte es möglich sein, anderen Neigungen nachzugehen, ohne dass dies allzu starkes Missfallen hervorrief.
Von Klasewitz leckte sich unbewusst die Lippen. Das würde sehr, sehr anregend werden.
Ein Legionär schlug die Hacken zusammen, als von Klasewitz sich zu ihm stellte. Diese besondere Sitte hatte der Freiherr seinen Männern beigebracht, sie war in der römischen Armee vorher unbekannt gewesen – vor allem weil diese Art der Respektsbezeugung in Sandalen oder den eher weichen Stiefeln nicht diesen höchst befriedigenden Klang erzeugte. Von Klasewitz aber hatte es vermisst, das wollte er gerne zugeben, und seine Artilleristen nahmen es als besonderes Zeichen ihrer herausgehobenen Stellung, als Privileg an.
Damit, so fand der Freiherr, hatten ja alle was davon.
»Geschütz 7 geladen und einsatzbereit!«, brüllte der Geschützführer ihn an.
»Danke«, erwiderte der Freiherr und ließ sein prüfendes Auge über das Arrangement vor ihm gleiten. In der Tat, die Meldung entsprach der Wahrheit. Er erkannte keinerlei Makel. Von Klasewitz beugte sich noch einmal vor, beäugte das schwarze Kanonenrohr. Die größte Gefahr bestand in feinen Haarrissen, die oft mit bloßem Auge nur schwer zu erkennen waren und die bei mehrmaligem Abfeuern der Kanone zu katastrophalen Konsequenzen führen konnten. Ein Grund mehr, das Artilleriefeuer nicht allzu lang andauern zu lassen. Schließlich konnte es ja passieren, dass er selbst gerade in der Nähe war, wenn es eine Kanone zerriss und die Umstehenden durch Metallsplitter niedergemäht wurden.
Und das galt es selbstverständlich auf jeden Fall zu verhindern.
Von Klasewitz schlug dem stolz grinsenden Mann auf die Schulter und murmelte etwas Anerkennendes.
Dieser hier war ersetzbar.
Johann Freiherr von Klasewitz war es nicht.
33
Volkert holte tief Luft. Es war noch angenehm kühl. Er stand vor seiner Einheit und betrachtete die Reihe der Männer, wie sie in Formation ausharrten, alle Blicke auf die Masse an Legionären gerichtet, die sich auf der anderen Seite des Schlachtfeldes aufgestellt hatte. Die Entfernung war beachtlich, denn die Armeen waren groß und beide Seiten hatten kein Interesse daran, dass sich die beiden Truppenkörper vorzeitig vermischten. Von Klasewitz wollte seine Kanonen so zielsicher einsetzen wie möglich und von Geeren das Gleiche mit seinen Schützen tun. Die armen Schweine auf dem »Feld der Ehre«, die Kugeln oder Kanonenschrot fressen würden, fragte niemand.
Doch sie bewahrten Disziplin. Wenn römische Truppen sonst nichts hatten, die Disziplin war ihnen eingebläut worden. Ewige, unauslöschbare Disziplin. Viele der Männer sahen ihn an. Er war »der Tribun«, auch für alle, die seinen Namen nicht kannten. Derjenige, der den Heermeister tötete. Der den Verrat des Sedacius aufdeckte. Der mit einem Transportschiff aufbrach und mit einem Geschwader ankam. Der Tribun. Volkert nahm es hin. Es half ihm, Befehle zu erteilen. Und dazu würde es heute viel Gelegenheit und Notwendigkeit geben.
Volkert sah, wie einige der Männer noch etwas an sich herumzupften wie ein Mädchen vor dem entscheidenden Auftritt vor einem Empfang. In beiden Fällen ging es um viel, nur dass es den Männern weniger um ihr Aussehen ging, sondern mehr darum, ob die Ausrüstung einigermaßen sicher und bequem saß und sie beim Kämpfen nicht behinderte.
Volkert selbst hatte auf allen unnötigen Ballast verzichtet. Er würde nicht direkt an der Front stehen, das erste Mal in seiner Karriere als römischer Soldat. Sein Dienstgrad war mittlerweile so hoch, dass von ihm erwartet wurde, eine Kommandoposition hinter seinen Männern einzunehmen und den Überblick zu behalten. Das hieß keinesfalls, dass der Kampf ihn nicht erreichen würde. Offiziere, die direkt mit den Bodentruppen marschierten, wurden immer
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