Kaiserkrieger: Der Aufbruch
überall noch unter dem Fett verborgen waren. Sein Gesicht war von einem wilden, ungepflegten Bart umrahmt, während auf seinem Kopf die meisten Haare bereits ausgefallen waren. Er blinzelte den Neuankömmlingen entgegen. Ein scharfer Geruch ging von ihm aus. Die übliche römische Besessenheit mit körperlicher Reinlichkeit schien dieses Exemplar nicht zu teilen.
Godegisel zwang sich ein Lächeln ab.
Valens hielt sich damit nicht auf. Kaum war der Mann im Türrahmen erschienen, holte der ehemalige Kaiser weit aus und schlug dem Bärtigen mit Wucht in den Magen.
Die majestätische Faust versank in der Tunika mit einem kaum wahrnehmbaren Laut. Der Bärtige starrte auf die Hand hinab, die fast völlig in seinen Fettmassen verschwunden war und die ihm keinerlei erkennbares Ungemach zu bereiten schien. Godegisel bezweifelte, dass er den Schlag überhaupt als solchen wahrgenommen hatte.
Der Mann starrte auf die geballte Faust Valens’, ergriff dessen Handgelenk und zog sie aus der fleischlichen Versenkung wieder hervor. Er musterte mit größter Gelassenheit den kaiserlichen Ring an der Hand, ließ sie dann fallen, blickte Valens ins Gesicht und schüttelte den Kopf.
»Ihr seid tief gefallen, mein Kaiser«, sagte er dann mit einer erstaunlich sanften, wohlklingenden Stimme. »Kommt in Lumpen zu einem alten Gefolgsmann, der Euch einst verraten hat .«
»Dein Verrat ist vergessen, Belucius. Dein Kaiser braucht deine Hilfe .«
»Wie kann ich noch jemandem eine Hilfe sein ?«
Die Frage stand mit ihrem klagenden, ja kläglichen Tonfall in einem so krassen Gegensatz zur massiven Erscheinung des Mannes, dass Godegisel plötzlich sehr neugierig wurde, was für eine Geschichte diese beiden so ungleichen Männer verband.
»Wie wäre es, wenn du uns erst einmal hereinbitten würdest ?«
Belucius seufzte, zögerte einen Moment. Dann machte er einen Schritt zurück und verband dies mit einer einladenden Geste.
Godegisel folgte Valens ins Innere. Das Haus war aus Stein und bestand nur aus einem einzigen, großen Raum. Zur großen Überraschung des Goten war dieser recht aufgeräumt und, im Gegensatz zum Besitzer des Anwesens, sogar einigermaßen sauber. Auf einem Bett lagen ordentlich zusammengefaltete Decken. Ein großer, massiv gebauter Tisch beherrschte die Mitte des Raumes. In einer Feuerstelle flackerte ein kleines Holzfeuer, über dem ein Kessel mit Wasser hing. Zwei Wände waren mit uralten, verblichenen Wandteppichen geschmückt, die einst sehr wertvoll gewesen sein mussten. Die Abbildungen darauf waren nicht mehr auszumachen. In einer Ecke standen fünf große Amphoren, vier davon offenbar leer. Der säuerliche Geruch schlechten Weins erfüllte die Luft. An der rückwärtigen Wand war undeutlich eine zweite Tür zu erkennen, die wahrscheinlich in einen Stall führte. Sie lag im Halbdunkel und konnte fast für eine Wand gehalten werden.
»Setzt Euch, edle Herren, seid meine Gäste«, sagte der Hausherr fast unterwürfig und wies auf die beiden roh gezimmerten Stühle. Er selbst ließ sich ungeniert auf dem einzigen Liegesessel im Zimmer nieder, der unter der Last seines Körpers vernehmlich ächzte. Offenbar hatte er nicht die Absicht, den Männern etwas anzubieten.
Als Godegisel sich gesetzt und seine Beine ausgestreckt hatte, fiel sein Blick auf die gegenüberliegende Wand. Dort hing, fein säuberlich mit eisernen Haken in die Steinmauer genagelt, eine komplette Legionärsrüstung, mit Kurzschwert, Schild, metallener Brustplatte und einer sehr detailliert gearbeiteten Gesichtsmaske, die vielleicht das Antlitz des jungen Belucius abbildete. Godegisel erkannte mit erfahrenem Blick, dass der Besitzer dieser Ausrüstung diese in regelmäßigen Abständen von der Wand nahm, sie putzte und polierte, um sie dann wieder aufzuhängen. Obgleich die Ausrüstung sicher sehr alt war, konnte man sie ohne Zweifel jederzeit wieder zum Einsatz bringen. Godegisel war sich sicher, dass das Schwert geschärft und kampfbereit war.
»Mein Freund Belucius«, stellte Valens den Bärtigen vor. »Dies ist Godegisel, ein Gote. Ein Leidensgenosse.«
Der alte Soldat knurrte. »Wir sind alles Leidensgenossen in dieser schlechten Zeit, mein Kaiser. Egal, auf wessen Seite wir stehen .«
»Wohl war, alter Freund .«
»Woher kennt ihr euch ?« , fragte Godegisel.
Valens antwortete nicht, sondern sah den Bärtigen schweigend an. Dieser schloss für einen Moment die Augen, als wolle er die Anwesenheit seiner unverhofften Gäste aus seiner
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