Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaiserkrieger: Der Aufbruch

Kaiserkrieger: Der Aufbruch

Titel: Kaiserkrieger: Der Aufbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
Vom Netzwerk:
des Kamins zu schmelzen begann und in das Innere des Gebäudes tropfte, was wiederum zu einer feuchten Wärme führte, die die Kleidung klamm machte. Und wenn dann wieder ein Windzug durch die undichten Fugen und Ritzen der löchrigen Wand fuhr, erzeugte die Feuchtigkeit der Kleider ein so durchdringendes Kältegefühl, dass der Freiherr seinen Platz direkt vor dem Kamin nicht hatte verlassen wollen.
    Damit stand er am Kopfende eines grob zusammengezimmerten Tisches. Auf diesem lag eine der neuen Maßstabskarten des Römischen Reiches, die an alle Garnisonen verteilt worden war, ein sichtbarer Ausdruck des Einflusses, den Rheinberg jetzt auf den Kaiser ausübte. Von Klasewitz zwang sich, nicht allzu lange an seinen früheren Kommandanten zu denken. Jedes Mal, wenn er sich Rheinbergs Antlitz vorstellte, befiel ihn eine Mischung aus unbändiger Wut und Frustration, und das ohne jede Möglichkeit, diese Gefühle an irgendeinem Opfer auszulassen. Das genaue Gegenteil war der Fall: Alle Anwesenden waren hochrangige Persönlichkeiten, denen gegenüber der Freiherr sich einigermaßen zu benehmen hatte. Das fiel ihm außerordentlich schwer. Er biss die Zähne zusammen und verdrängte Rheinberg aus seinem Bewusstsein, wohl wissend, dass die nun folgende Diskussion unweigerlich dazu führen musste, sich doch wieder mit seiner Nemesis zu befassen.
    Nein, korrigierte er sich in Gedanken. Wer hier wessen Nemesis darstellte, das war noch nicht ausgemacht. Zwar war der Freiherr derzeit nicht mehr als ein gescheiterter Meuterer, aber er arbeitete an einer Karriere als Verschwörer und, sollte alles glattgehen, als Berater des nächsten Kaisers, der da hieß Magnus Maximus, derzeit noch Comes Britanniarum. In von Klasewitz’ eigener Zeit war Magnus Maximus eine Weile lang Imperator des Westens gewesen, nachdem Gratian hinterhältig ermordet worden war, ehe er letztlich an Theodosius dem Großen scheiterte, der ihn lange hatte gewähren lassen. Dann war das letzte Mal in der römischen Geschichte die Macht des Reiches in den Händen eines Mannes vereint gewesen. Der Einfluss der Deutschen hatte dazu geführt, dass dies nun früher und anders eingetreten war: Gratian war Imperator über ganz Rom. Und Magnus Maximus war immer noch so frustriert wie vorher und von seiner Sache überzeugt.
    Der Comes war ein hochgewachsener Mann, mit wettergegerbtem Gesicht und einer bestimmenden Ausstrahlung, einem unverkennbaren Charisma, das ihm zusammen mit der Art und Weise, wie er sich um seine Truppen kümmerte, zu großer Loyalität unter den Legionären verholfen hatte. Da Gratians ursprüngliche Sünde unter anderem gewesen war, sich um die regulären Einheiten der Legionen nicht mehr zu kümmern, war dies für den Comes ein großer Anfangsvorteil gewesen, denn in dieser Zeit machten die Legionen den Kaiser – nicht das Volk, nicht der Senat, nicht die Kirche.
    Von Klasewitz’ Blick fiel auf das schiefe Gesicht eines Mannes, der dies zu ändern trachtete. Er sah in Ambrosius von Mailand immer noch jemanden, den zu verehren ihm früh beigebracht worden war. Für den Freiherrn war dieser Mann der Heilige, zu dem ihm die Kirche später gemacht hatte, einer der Kirchenväter, eine fast mythische, entrückte Gestalt. Dass der tatsächliche Ambrosius, mit dem er es hier zu tun hatte, mehr ein hochgebildeter Gelehrter, aber vor allem ein gewiefter und mit allen Wassern gewaschener Kirchenpolitiker war, sickerte erst langsam in sein Bewusstsein. Der Bischof von Mailand, gekleidet in einfaches Tuch, schien sich nicht um die kalten Windstöße oder die tropfende Decke zu kümmern. Stattdessen starrte er auf die Karte mit etwa dem gleichen Hunger in den Augen wie auch Maximus. Beide hatten das gleiche Ziel, das sie verband, und ihr Ehrgeiz ähnelte sich in vielen Dingen.
    Dass von Klasewitz für sie nicht mehr als ein Instrument war, wollte und konnte der Freiherr nicht erkennen. Seit er alle Bande zur Besatzung der Saarbrücken gelöst hatte, hielten den ehemaligen Ersten Offizier nur noch seine Illusionen und Selbsttäuschungen aufrecht. Fähnrich Tennberg hatte er im Auftrag der Verschwörer fortgeschickt. Es war besser, wenn der leicht beeinflussbare junge Mann nicht zu viel wusste.
    Was von Klasewitz nicht wahrhaben wollte, war die Tatsache, dass ohne diese Illusionen, denen er sich hingab, sein Wesen zerschmelzen würde wie der Schnee auf dem Dach dieses kaum renovierten Gehöfts, gut fünfzig Kilometer nördlich von Lyon.
    In einer anderen

Weitere Kostenlose Bücher