Kaiserkrieger: Der Aufbruch
diese Fehler sehr eindringlich vor Augen geführt und Ausonius, sein alter Lehrmeister, hat ihn dabei unterstützt. Der Kaiser hat erkannt, wohin ihn dieses Tun führen würde, und solcherart Taten abgeschworen .«
»Das stimmt«, meinte Malobaudes nachdenklich. »Ich habe ihn selten ernsthafter, bemühter und fleißiger gesehen. Kenntnis über die mögliche eigene Zukunft zu erlangen, die dann auch noch mit einem gewaltsamen Tod durch schmählichen Verrat endet, hat offenbar diese Wirkung auf Menschen .«
Alle Blicke richteten sich kurz auf Theodosius, der ein Lächeln in die Runde warf. »Zwar war von meinem schmählichen Tode nicht die Rede«, sagte er, »aber von mir als dem letzten Kaiser Gesamtroms – und von meinem lieben Sohn, dem kleinen Honorius, als Versager auf dem Thron. Auch ich schätze diesen Verlauf der Geschichte nicht besonders, und wenn ich ihn verhindern kann, dann will ich das tun. Und genau deswegen ist es mein Ziel, jede Gefahr im Keime zu ersticken. Wenn Gratian dem Maximus eine Chance geben will, indem er seine Wege ändert und den Unwillen nicht heraufbeschwört, der den Comes zum Aufstand bewogen hat, so mag das eine Lösung des Problems sein. Ich schlage aber vor, Maximus vorsorglich abzusetzen und ihm einen ehrbaren Verwaltungsposten ohne militärische Macht zu übertragen – und Andragathius gleich mit ihm, denn wer den Keim des Verrats in sich trägt, wird diesen auch irgendwann wachsen lassen, dessen bin ich mir sicher .«
Von Geeren erkannte an der Mimik und Gestik einiger der Offiziere, dass Theodosius’ Haltung in der Runde durchaus Anklang fand.
»Besprecht dies mit Rheinberg«, bat er den Spanier schließlich in freundlichem Ton. »Und mit dem Kaiser, denn letztlich ist es seine Entscheidung. Wir können hier nur im Rahmen unserer Befehle handeln .« Er zögerte einen Moment. Er wollte noch etwas hinzufügen, doch er war sich nicht sicher, ob der Feldherr oder einer der anderen Anwesenden das als Beleidigung oder indirekten Vorwurf auffassen würden. Dennoch entschloss er sich, es auszusprechen, da es ihm auf der Seele lag.
»Ich muss Euch alle noch einmal auf etwas hinweisen, und möchte Euch bitten, es nicht falsch zu verstehen«, begann er umständlich. »Wie Ihr wisst, haben wir die Details der Informationen über die mögliche Zukunft – die Zukunft, die wir aus unserer Zeit mitgebracht haben – nur wenigen mitgeteilt. Hier kennt Ihr alles, was wir preisgegeben haben, aber der Großteil der Verwaltung und der Militärhierarchie weiß nur von unserer Besorgnis bezüglich dessen, was wir ›Völkerwanderung‹ nennen, unsere Erkenntnisse über die wirtschaftlichen Probleme des Reiches und unsere Haltung zum Religionsstreit .«
»Das war für den guten Ambrosius schon mehr als genug«, murmelte Arbogast. Von Geeren nickte. Seitdem die Deutschen von Gratian in hohen Ehren gehalten wurden, hatte sich der Bischof von Mailand rargemacht – zu rar für Rheinbergs Geschmack, der seinem Stellvertreter bei Hofe aufgetragen hatte, besonders nach dem Kirchenvater Ausschau zu halten und alles Verdächtige sofort zu melden.
»Was nicht allgemein bekannt ist und wo wir von allen einen heiligen Eid des Stillschweigens bekommen haben, sind die Details – etwa die Rolle, die Maximus und Andragathius spielen. Wir wollen damit nicht nur eine Vorverurteilung vermeiden, sondern auch eine Panik in der Bevölkerung, die sicher wenig Freude an den Reformen des Kaisers haben wird, wenn sie diese mit einem möglichen Bürgerkrieg in Verbindung bringt. Ich muss Euch daher alle noch einmal eindringlich bitten, dieses Stillschweigen auf jeden Fall zu bewahren .«
»Tribun von Geeren«, erwiderte Theodosius sofort. »Ich habe diesen Eid abgelegt und werde ihn befolgen. Aber lasst uns ehrlich miteinander sein: Zu viele Menschen haben schon zu viel gehört. Zwei Eurer eigenen Schiffsbesatzung sind unauffindbar verschwunden, nachdem die Meuterei gescheitert ist. Und Ambrosius, so sehr ich ihn als Kirchenmann auch schätze, hegt Groll gegen Euch, ist aber ebenfalls über viele der Dinge, die Rheinberg berichtet hat, im Bilde .«
Er schüttelte den Kopf. »Es würde mich nicht wundern, wenn Maximus über sein mögliches Schicksal bereits Bescheid weiß. Es würde mich auch nicht wundern, wenn er sich mit Ambrosius zusammengetan hat und seine eigenen Planungen forciert. Ich werfe dem Comes jetzt noch nichts vor, aber wir müssen ungeheuer aufmerksam sein .«
Er räusperte sich. »Mein Vater, ein
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