Kaiserkrieger: Der Aufbruch
einem natürlichen Niedergang befanden und letztlich nur auf ein Sterben in Würde hofften. Senator Symmachus, einer der lautstärksten Verfechter der alten römischen Glaubensvorstellungen, gehörte zu den Unterstützern der Deutschen im Senat und war somit ein Verbündeter. Er war einer der Wenigen, auf die sich Rheinberg einigermaßen verlassen wollte. Renna noch, ja. Aber dann?
Rheinberg war sich nicht einmal ganz sicher, ob er seiner eigenen Mannschaft trauen konnte. Die fehlgeschlagene Meuterei des ehemaligen Ersten Offiziers von Klasewitz hatte Wunden hinterlassen, ein grundlegendes Misstrauen etabliert. Rheinberg hatte die Meuterer zwar bestraft, aber nicht so, wie es das Gesetz eigentlich vorsah – deutsches und römisches Recht gleichermaßen. Anstatt sie alle hinrichten zu lassen, hatte er eine Art »Strafkompanie« gegründet, mit der ausdrücklichen Aussicht auf Bewährung und Rückführung in den normalen Dienst, wenn sich die Delinquenten anständig verhielten und durch Eifer und Disziplin tätige Reue zeigten. Er konnte nicht einfach ein paar Dutzend Männer erschießen lassen, auf deren Kenntnisse und Erfahrungen er in dieser letztlich sehr fremden Welt angewiesen war. Er brauchte sie, wahrscheinlich noch mehr, als diese die Gesellschaft ihrer Zeitgenossen benötigten. Das Beispiel der Herren Köhler und Behrens zeigte, dass man es im Römischen Reich zur Not auch auf eigene Faust zu etwas bringen konnte. Formal herrschte Kriegszustand auf der Saarbrücken und rein rechtlich waren damit die Besatzungsmitglieder ohne zeitliche Begrenzung zum Dienst verpflichtet. Doch Rheinberg gab sich da keinen Illusionen hin. Er musste es seinen Männern erlauben, private Kontakte zur Bevölkerung zu knüpfen, was letztlich auch dazu führte, dass der Wunsch nach einem anderen Leben wachsen würde. Er selbst war vor dieser Sehnsucht keinesfalls gefeit. Und das Beispiel des jungen Fähnrichs, der mit seiner Braut einfach verschwunden war, war ihm eine Warnung.
Er war mit den Begrüßungen und Danksagungen am Ende angekommen und durfte sich nun mit den restlichen Gästen zum Festzelt begeben, wo bereits eilfertige Sklaven mit Tabletts und Krügen herumliefen, um alle Besucher mit Speisen und Wein zu versorgen. Renna hatte geladen und so gehörten die dargebrachten Köstlichkeiten zum Besten der römischen Küche. Doch auch der Smutje der Saarbrücken hatte sich diesmal ins Zeug gelegt und seinen eigenen Tisch mit Speisen gefüllt. So fand sich für jeden etwas und alle waren voll des Lobes. Rheinberg akzeptierte ein Weinglas und nippte höflich an der Flüssigkeit. Er hatte noch einiges zu tun und wollte dem Alkohol nicht allzu stark zusprechen. Als er hochblickte, sah er, wie Marineoberingenieur Dahms ihm zunickte, und bahnte sich daraufhin einen Weg durch die Menge. Als er Dahms erreicht hatte, der ein kleines Glas mit Branntwein in Händen hielt – mit herzlichen Grüßen und guten Wünschen der Schnapsbrennerei von Wachtmeister Behrens und Hauptbootsmann Köhler, die in Ravenna eine mittlerweile sehr gut florierende Taverne unterhielten –, sonderten sie sich etwas ab, um einigermaßen ungestört sprechen zu können. Da die meisten der Gäste ohnehin damit beschäftigt waren, sich auf Kosten anderer den Magen vollzuschlagen, war dies keine allzu große Herausforderung.
»Wie sieht es aus ?« , fragte Rheinberg.
Der Ingenieur wirkte ausgesprochen zufrieden.
»Wir sind voll im Zeitplan, Herr Kapitän«, erklärte er. »Die Valentinian wird fristgerecht fertiggestellt und kann wie geplant in See stechen .«
Rheinberg war hocherfreut über diese Auskunft. Ihre Bemühungen zum Bau einer Dampfmaschine auf der Basis der am ehesten zur Verfügung stehenden Legierung – Bronze – waren von Erfolg gekrönt. Dazu kam die Etablierung eines neuen Schiffsdesigns, eines Hochseeschiffes aus Holz mit Dampfmaschine, nicht unähnlich den Handelsklippern aus der Zeit zu Beginn der Dampfkraft. Im Gegensatz zu den meisten römischen Schiffen musste sich die Valentinian, der Prototyp, nicht an den Küsten entlangschleichen und vor jedem gröberen Wellengang in schützende Häfen oder Buchten fliehen. Ausgestattet mit vier Dampfkatapulten war das Schiff auch militärisch jedem Piratenruderer oder -segler deutlich überlegen. Der neue Stolz der römischen Mittelmeerflotte, erbaut in der aus dem Boden gestampften Werftanlage, sollte in der kommenden Woche zur Jungfernfahrt in See stechen – mit einer Besatzung, die zu neunzig
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