Kaiserkrieger: Der Aufbruch
konnte sie auch seltsame Fragen beantworten.
Julia sagte nichts mehr, starrte auf die Plane des Wagens, ihre Gedanken in plötzlichem Aufruhr. Natürlich hieß das erstmal gar nichts, beruhigte sie sich selbst. Thomas Volkert war ein frisch in den Dienst gepresster Legionär. Er konnte reiten, ja, das hatte er ihr einmal anvertraut, aber das musste ebenfalls noch nichts bedeuten. Sie zogen Männer, offenbar von besonderer Befähigung, aus dem ganzen Reich zusammen, und Lauriacum war nur der Sammelpunkt. Thomas würde sich das Treiben wahrscheinlich nur interessiert anschauen, aber nicht Teil der Aktion sein.
Bestimmt nicht.
Ganz sicher.
Und doch nagte da dieser Gedanke an Julia, dass ihr Thomas, aufgrund einer wilden Fügung des Schicksals, es doch geschafft hatte, die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten positiv zu wecken und nun auch zu jener Expedition gehörte. Schließlich war er doch auch befördert worden und …
Eine Expedition, die möglicherweise schon aufgebrochen war.
Die Reise nach Noricum kam vielleicht schon zu spät.
Furcht erfasste Julia, Furcht vor der Sinnlosigkeit ihres Unterfangens, in das sie so viel Hoffnung gelegt hatte. Der Wagen ruckelte. Ihr Ehegatte fluchte. Julia war es egal.
Sie hatte es jetzt eilig.
Sehr eilig.
Kapitel 12
Bertius war eigentlich zu klein für einen Legionär.
Da man aber mittlerweile so gut wie jeden nahm, war jemand von seiner geringen Körpergröße keine Ausnahme mehr in den römischen Streitkräften. Er gehörte zu den Wenigen, die sich freiwillig gemeldet hatten, und das vor mittlerweile gut zehn Jahren. In dieser Zeit waren trotz aller Einsätze sein Bauch dicker, sein Haar dünner und sein Blick wässriger geworden. Ersteres lag an seiner Vorliebe für kandierte Früchte, in die er einen Teil seines Soldes investierte, das Zweite am Alter und seiner Neigung zur Kahlköpfigkeit und das Letzte an seiner Vorliebe für Wein, in den er den anderen Teil des Soldes investierte. Die Tatsache, dass er trotz seiner zehn Jahre bis jetzt noch nicht über den Rang eines einfachen Legionärs herausgekommen war, hatte wiederum sehr viel damit zu tun, dass Bertius dabei einen hervorragenden Instinkt dafür entwickelt hatte, sich vor lästigen, anstrengenden und möglicherweise lebensgefährlichen Aktivitäten zu drücken. Immer haarscharf an der Insubordination vorbei, immer jemanden gefunden, dem er die Schuld für seine eigene Nachlässigkeit in die Sandalen schieben konnte, immer bereit, sich hinter dem Rücken anderer zu verstecken, wenn es hart auf hart kam – eine Vorgehensweise, bei der ihm seine geringe Körpergröße in beträchtlichem Maße hilfreich war. Dafür erzählte er gerne und viel von seinen angeblichen Ruhmestaten, vor allem dann, wenn jemand anders die Zeche bezahlte. Seine einfache germanische Abstammung aus einem Dorf in der Nähe der Lahn kaschierte er meist durch groß angelegte Epen, in denen er ein verstoßener Fürstensohn war, der von seinen Feinden getrieben Obhut in den Grenzen des Römischen Reiches gefunden hatte.
Kurz, Bertius, der Germane, war ein Schwätzer und ein Drückeberger und Thomas Volkert hatte die Freude, in dieser Nacht mit ihm Wache zu stehen. Für den Dekurio war das etwas angenehmer – er musste die Runde machen und alle wachhabenden Soldaten überprüfen, ob sie nicht etwa schliefen oder ihre Pflichten anderweitig vernachlässigten. Fand er einen Mann vor, der sich dessen schuldig gemacht hatte, sah die Legion drakonische Strafen vor, die bis zum Tode des Unachtsamen führen konnten. Da auch Bertius nicht sterben wollte – tatsächlich hatte er dies während seiner ganzen militärischen Karriere mit großem Eifer zu verhindern gesucht –, war er wachsam und, leider, auch mitteilungsbedürftig. War Dekurio Volkert bei seiner nächtlichen Runde an seinem Posten angekommen, streckte sich die eher gedrungene Gestalt des Legionärs, ein Leuchten fuhr über Bertius’ Gesicht und er begann, Volkert mit allerlei Mutmaßungen, Gerüchten und Geschichten aufzuhalten. Dass er dies vornehmlich tat, um der tödlichen und einschläfernden Monotonie der Wache zu entfliehen, wusste Volkert sehr wohl. Diese Monotonie wurde noch durch die Tatsache verstärkt, dass hier, inmitten einer Garnisonsstadt, zumindest vorerst trotz der Nähe zur Grenze nicht mit feindlichen Angriffen zu rechnen war. Die größte Herausforderung mochten Legionäre auf Stadtgang sein, die betrunken ins Lager zurückwollten, obwohl die Tore bei
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