Kaiserkrieger: Der Aufbruch
Kutschbock saß, die Zügel in der Hand.
Julia hatte insistiert.
Der Weg war lang, voller Gefahren.
Und Martinus, Sohn eines Spediteurs, war ein Mann von Erfahrung, groß geworden auf den Straßen und Wegen des Reiches. Er hatte den Schweiß der Pferde, das Knarren der Achsen, die Flüche der Eseltreiber mit der Muttermilch aufgesogen. Ein Mann der Straße, ein Weiser des Weges, ein Held des Transports. Julia hatte ihn all dies genannt, mit leuchtenden Augen und schwärmerischem Gehabe, natürlich in Gegenwart seines Vaters und ihrer Mutter, und ungeahnter, ja ungläubiger Stolz war im Gesicht des älteren Caius zu erkennen gewesen. Da war es nur logisch, ja männlich, nein römisch, wenn Martinus, der getreue Ehemann, für die von seinem bezaubernden Weibe so sehr herbeigesehnte Hochzeitsreise selbst die Zügel in die Hand nahm. Dazu musste er auf dem harten Kutschbock sitzen und er durfte natürlich dem Wein – oder noch schlimmer, dem neuartigen germanischen Branntwein – nur in sehr geringen Mengen zusprechen. Sein Adlerauge galt dem Weg, sein suchender Blick möglichen Gefahren, und all dies zum Schutze und Komfort seiner, oh welch Segen Gottes, schwangeren Ehefrau.
Julia griff in eine Schüssel mit Früchten und schob sich einige Weintrauben in den Mund. Irgendwo im Reich gedieh immer irgendwas und der Vorteil einer Ehe mit dem Sohn eines Spediteurs war es, dass dieser all diese Dinge leicht beschaffen konnte. Eine Sklavin, die mit in ihrem Wagen reiste, reichte Julia einen Becher mit verdünntem Wein. Draußen war es kühl und es wurde immer kälter, je weiter sie nach Norden drangen. Doch Julias Wagen, umhüllt von einer dicken Plane, ausgepolstert mit Teppichen, war relativ gut temperiert.
Der arme Martinus Caius, Flüche ebenso heroisch unterdrückend wie seinen Wunsch, sich mit einem guten Schluck aufzuwärmen, zog seinen Mantel fester um sich. Julia ließ die Plane, die ihr einen Blick auf das Leid ihres Gatten gegönnt hatte, wieder zurückfallen, damit es nicht allzu kalt für sie wurde.
Es wäre für den jüngeren Caius alles halb so schwierig gewesen, wenn sein Vater nicht darauf bestanden hätte, dass die beiden weiteren Wagen, voller Proviant, Kleidung und anderen wichtigen Dingen, von einem erfahrenen und vertrauten Kolonnenführer aus seinen Diensten geleitet würden. Dieser würde jedes Nachlassen seines Sohnes sofort dem Chef berichten und Martinus Caius, durchaus erfreut über die plötzliche, positive Aufmerksamkeit in den Augen seines Vaters, wäre wieder der alte Schwächling gewesen.
Nein, so musste Julia halb anerkennend, halb ungläubig feststellen, da steckte irgendwo noch so etwas wie Stolz in ihrem ungeliebten Gatten. Stolz vielleicht auch auf seinen ungeborenen Sohn – natürlich »spürte« Julia, dass es ein Junge werden würde –, an dessen Zeugung er sich nicht genau erinnern konnte. Seine Frau hatte ihm seine Männlichkeit in so vielen Worten beschrieben, er selbst entsann sich nur noch daran, dass er sich wohl entkleidet und Gleiches von seinem Weibe verlangt hatte, danach aber …
Julia erinnerte sich besser. Germanischer Branntwein hatte sein Gutes. Der angetrunkene, aber erhitzte Caius hatte keines weiteren Zuspruches bedurft, um ein großes Glas davon zu trinken. Er war nach einem kläglich gescheiterten Versuch, den kleinen Martinus doch noch zum Einsatz zu bringen, röchelnd in ihren Armen eingeschlafen.
Das war, so musste sich Julia eingestehen, gerade noch einmal gut gegangen. Und seitdem hatte sich ihr Gatte ihr auch nicht mehr genähert. Einmal, eines Morgens , hatte er es versucht, doch Julia hatte sich betont vor seinen Augen erbrochen. Mit Hingabe.
Seitdem ließ er sie in Ruhe.
Julia warf einen kritischen Blick in den Wein. Das mit dem Erbrechen war keinesfalls simuliert gewesen, es war von Herzen gekommen. Die Schwangerschaft machte sich bemerkbar.
Der Wagen rumpelte wieder. Es war eine lange Reise, aber dennoch recht komfortabel. Martinus’ Vater hatte seine besten Wagen aufgeboten, dazu acht Männer als Begleitung, vier davon von so starkem Körperbau und mit mächtigen Knüppeln bewaffnet, dass sich ihnen niemand nähern würde. Übernachten würden sie unterwegs nicht in Herbergen, wie es gewöhnliche Reisende taten, sondern immer bei Freunden der Familie, in angemessener Umgebung, in Sicherheit und mit Luxus. Julia wusste, dass Nachrichten ihrer Reise vorausgingen, mit expliziten Hinweisen an die freundlichen Gastgeber, den jüngeren Caius
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