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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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lehnte höflich ab.
    »Sie sind«, begann Deuxmoulins, wobei er einen wohlriechenden dünnen Zigarillo in der Hand hielt, »wie mir mitgeteilt wurde, ein Privatdetektiv, der einen eher untypischen Auftrag erhalten hat.«
    »Das ist richtig, Herr General. Ich wurde von … von Hinterbliebenen damit betraut, die näheren Umstände des Todes von Oberst Gustav Diebnitz zu untersuchen.«
    »Sein Ableben, das mich völlig unvorbereitet getroffen hat, war mehr als betrüblich«, meinte der General mit einer Miene tiefsten Bedauerns. »Und der Verlust, den die Armee durch seinen Tod erlitten hat, ist noch gar nicht abzuschätzen. Ich wünschte, ich hätte ihn viel besser kennengelernt … doch die Zeit war kurz, allzu kurz. Seinen Verwandten gilt mein volles Mitgefühl, und daher möchte ich Ihnen sehr gerne behilflich sein. Bitte, sagen Sie mir einfach, was Sie wissen möchten.«
    »Sie sind sehr freundlich, ich danke Ihnen. Also, momentan beschäftigt mich, was der Oberst unmittelbar vor seinem Tod getan hat.«
    Der General nahm einen kurzen Zug von seinem Zigarillo und antwortete dann: »Am zehnten Mai hatte ich eine längere Besprechung mit ihm, die den ganzen Nachmittag dauerte. Um halb fünf, die normale Zeit seines Dienstschlusses, haben wir uns voneinander verabschiedet.«
    »Machte er an diesem Tag den Eindruck, etwas würde ihn belasten? Oder konnten Sie nichts dergleichen feststellen?«
    »Nun … er kam mir ein wenig abgelenkt vor. Oberst Diebnitz arbeitete normalerweise sehr konzentriert, aber während unserer gemeinsamen Unterredung schien es mir einige Male, als würde er mit den Gedanken ein wenig abschweifen. Mir kam es so vor, als würde ihn etwas anderes beschäftigen und als versuche er, es sich nicht anmerken zu lassen. Das habe ich übrigens auch einem Inspektor der Kieler Kriminalpolizei gesagt.« Ein trauriger Zug legte sich über die Miene des Generals. »Hätte ich damals geahnt, dass sich hinter seinem Verhalten eine solche Verzweiflung verbarg … dass er schon wenige Stunden später tot sein würde … ich hätte ihn im Leben nicht gehen lassen. Es ist furchtbar.«
    Der Tod des Obersts ging dem General sichtlich näher, als Prieß zuvor vermutet hatte. Er bemühte sich, rasch ein anderes Thema anzusprechen, zumal er das Wichtigste nun bereits erfahren hatte.
    »Gustav Diebnitz war, wie ich weiß, Offizier des Reichsamtes für Militärische Aufklärung und ein Experte für den Schutz wichtiger Einrichtungen. Weil ich mir ein Bild von dem Verstorbenen machen möchte, würde mich interessieren, ob er hier eine ähnliche Funktion wie zuvor auf der Hamburger Marinewerft innehatte. Ich hoffe, ich spreche damit nichts an, was der Geheimhaltung unterliegt.«
    Deuxmoulins überlegte kurz und gab dann zur Antwort: »Ich denke, dass ich Ihnen diese Frage unbesorgt beantworten kann. Der Oberst war hier in der Tat zuständig für die Art Schutz, die schwer bewaffnete Wachen und Elektrozäune nicht gewähren können: den Schutz vor Verrat und Spionage. Wenn ich Ihnen auch, was Sie gewiss verstehen werden, keine Details über die Projekte geben darf, an denen wir hier arbeiten, so ist es doch offensichtlich, dass es sich um Forschungen von außergewöhnlicher Bedeutung handelt. Die aufwendigen Sicherungsmaßnahmen machen das für jeden Außenstehenden augenfällig. Nun ist es aber so, dass nicht erst seit dem spektakulären jüngsten Erfolg unserer Wissenschaftler die Früchte der deutschen Forschung den Neid und die Missgunst anderer Staaten erregen.«
    Er hielt inne, um einen Zug von seinem Zigarillo zu nehmen, und als er sicher war, dass Prieß keine Zwischenfrage stellen wollte, sprach er weiter: »Selbstverständlich wird das Reich die Ergebnisse seiner Forschungen gerne mit allen Kulturnationen dieser Welt teilen, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Doch den Diebstahl unseres Wissens können und dürfen wir nicht dulden. Und das umso mehr, als es in den falschen Händen eine große Gefahr darstellt. Diebnitz war ein Meister darin, die Machenschaften ausländischer Agenten zu durchkreuzen. Vielleicht entsinnen Sie sich noch an die aufsehenerregende Enttarnung der französischen Spione und ihrer Zuträger in Hamburg vor einigen Jahren?«
    Prieß bejahte. Dieser Erfolg des RMA hatte zu jener Zeit für beträchtlichen Wirbel in der Presse und auf dem diplomatischen Parkett gesorgt. Erst eine offizielle Entschuldigung der französischen Regierung hatte die Spannungen schließlich wieder abklingen lassen.

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