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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Außerdem hatte die Angelegenheit noch Folgen nach sich gezogen: Weil die Franzosen ihre Informanten und Helfershelfer unter unzufriedenen sozialistisch gesinnten Werftarbeitern rekrutiert hatten, verabschiedete der Reichstag schnell eine Reihe harter Gesetze, eingebracht vom Konservativen Bündnis, die den vaterlandsfeindlichen Tätigkeiten der verschiedenen sozialistischen Gruppierungen ein für alle Mal ein Ende setzen sollten. Selbst die Sozialdemokraten, die stärkste Partei im Reichstag, konnten unter dem Eindruck dieses Verrats von schockierenden Ausmaßen nicht anders, als den Gesetzen zuzustimmen, wenn auch mit argen Magenschmerzen.
    »Die Zerschlagung dieses Spionagenetzes war fast ausschließlich Diebnitz zu verdanken«, sagte der General. »Diebnitz gebührte das Verdienst, die Pläne für die Panzerkreuzer der Kurfürst-Klasse vor dem Zugriff Frankreichs bewahrt zu haben. Dafür erhielt er den Orden Pour le Mérite. Sie werden nun verstehen, warum ich ihn und keinen anderen als Leiter der Sicherheitsabteilung haben wollte.«
    Prieß wunderte sich zunächst, dass Diebnitz’ Name trotz seiner herausragenden Leistungen während der gesamten Spionageaffäre nie in den Zeitungen aufgetaucht war. Doch dann machte er sich klar, dass der Erfolg eines Geheimdienstmannes ja darauf beruhte, das Licht der Öffentlichkeit zu meiden.
    »Verzeihen Sie bitte, wenn ich so abrupt das Thema wechsle«, fuhr der General fort, »doch mir ist nicht ganz klar, welchen Zweck Ihre Ermittlungen bezüglich dieses betrüblichen Todesfalls haben. Ich bin von der Kieler Kriminalpolizei dahingehend informiert worden, dass es sich ohne Zweifel um Selbstmord handelt. Welche offenen Fragen bewegen die Angehörigen des Obersts? Vielleicht kann ich ja zur Aufklärung beitragen.«
    »Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar. Die Zweifel betreffen weniger die Art des Ablebens, als vielmehr die Gründe. Oberst Diebnitz äußerte sich in seinem Abschiedsbrief nur ausgesprochen vage darüber, was ihn zu diesem Schritt bewogen hat. Meine Auftraggeber« – Prieß sprach im verschleiernden Plural, denn diese Art der Diskretion hatte er im Laufe der Jahre verinnerlicht – »möchten Klarheit gewinnen über die Ursachen seiner Entscheidung.«
    Nachdenklich bewegte Deuxmoulins den Zigarillo zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ein verständlicher Wunsch. Herr Prieß, wie Sie sich sicher denken können, macht man sich auch bei der Armee über diesen Selbstmord Gedanken, denn so unwahrscheinlich es bei einem Mann wie Diebnitz auch sein mag, kann man doch nicht gänzlich ausschließen, dass seine Verzweiflung aus seiner dienstlichen Pflicht – oder ihrer Missachtung – entsprang. Das RMA hat daher sicherlich eigene Untersuchungen eingeleitet, über deren Ergebnisse ich zweifellos beizeiten ins Bild gesetzt werde. Falls der Grund für Diebnitz’ Freitod aufgedeckt werden sollte und er rein privater Natur ist, dann, das verspreche ich Ihnen, werde ich Ihnen diese Informationen zukommen lassen, damit Sie Ihre Auftraggeber zufriedenstellen können.«
    Dieses großzügige Angebot hatte Prieß nicht erwartet. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen dafür danken kann, Herr General«, meinte er überrascht.
    Bescheiden winkte Deuxmoulins ab. »Nicht doch. Ich sehe es als meine Pflicht an, Sie in Ihren Bemühungen zu unterstützen. Ein Offizierskamerad und treuer Diener des Reiches wurde in den Tod getrieben, und wer immer bestrebt ist, die Verantwortlichen aufzuspüren, kann meiner vollen Sympathie gewiss sein.« Der Blick des Generals streifte die leise summende elektrische Uhr über der Tür. »Zu meinem Bedauern muss ich Sie jetzt leider bitten, mich zu verlassen. Ich habe einige wichtige Termine, die keinen Aufschub dulden. Aber zögern Sie nicht, sich jederzeit an mich zu wenden, falls Sie weitere Fragen haben. Meine Sekretärin wird Ihnen die Telefonnummer meines Büros geben, und sollte ich mich nicht persönlich um Sie kümmern können, werde ich dafür sorgen, dass Sie mit Diebnitz’ Stellvertreter, der nun vorübergehend seinen Posten übernommen hat, sprechen können.«
    Prieß bedankte sich nochmals, dann erhoben sich die beiden Männer und der General begleitete den Detektiv noch ins Vorzimmer. Dort wartete bereits ein kleiner älterer Mann mit schütterem, grauem Haarkranz, Nickelbrille und einem zerknautschten Laborkittel. Der Ausdruck seines Gesichts wirkte, als wäre er mit den Gedanken weit entfernt.
    »Ah, Sie dürfen sich glücklich schätzen, Herr

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