Kaktus zum Valentinstag
gelebte Transparenz.
Drei wichtige Punkte meiner Checkliste. So kann ich nur bestätigend hinzufügen: »Ich dich auch!« Fortan wird dieses gegenseitige Liebesbekenntnis zu einem tagtäglichen Ritual: »Ich liebe dich!« – »Ichdich auch!« So zeigt sich erstes zaghaftes Grün auf meiner Straße jenseits der Passhöhe über das emotionale Gebirge.
Ein apokalyptisches Candle-Light-Dinner
Es ist der 23. Januar 1992, ein blasslilafarbener Tag. Mein Gnubbelchen und ich sind nun vom Kussdatum an gerechnet seit vier Monaten zusammen. Um diesen Tag angemessen zu würdigen, entscheiden wir uns für die Kieler Pizzeria »Hippopotamus«. Denn da sind wir schon öfter gewesen und es hat immer sehr gut geschmeckt.
Wir finden für uns einen schönen Vierertisch, den wir zu zweit nutzen, damit ich genug Raum habe, ohne mich beengt zu fühlen. Der Ober lässt auch nicht lange auf sich warten, zündet die auf dem Tisch stehenden Kerzen an und bringt kurze Zeit später die gleich georderten Getränke. Spezi. Wie immer.
Nachdem wir auch unsere Pizzen in Auftrag gegeben haben, steht unserem romantischen Candle-Light-Dinner nichts mehr im Wege. Auch die später gelieferten Pizzen schmecken wieder hervorragend. Die Kerzen brennen leicht knisternd friedlich vor sich hin, während wir uns über mögliche Urlaubsziele unterhalten und wieder einmal über Gott und die Welt philosophieren. Ein paar Witze, die Martina beisteuert, geben der ganzen Unterhaltung die nötige Würze.
Alles ist wunderbar. Bis Martina mir auf einmal eröffnet, dass sie gerne so schnell wie möglich mit mir zusammenziehen möchte. Die Romantik des Abends schmilzt dahin wie ein Speiseeis in praller Sonne. Es tropft vom Stiel auf das T-Shirt, in die Hände. Alles klebt und schmiert, vom Genuss bleibt nichts mehr übrig.
Ein romantisches Candle-Light-Dinner sollte das hier werden, und jetzt gibt es auf einmal so eine leidige Diskussion wegen so einer blöden Wohnung. Warum jetzt? Warum hier? Ich erstarre innerlich. Ob man zusammen wohnen kann, sei doch sicherlich auch noch so ein Test von mir, meint Martina.
Natürlich ist das Miteinander-Zusammenleben auch noch so ein offener Test. Muss es ja sein. Aber dieser finale Test, der kann doch erst kommen, wenn alles andere geklärt ist, wenn zum Beispiel auch die Sache mit der Tropentauglichkeit abschließend und sicher positiv beantwortet ist.
Auch richtigen Sex hatten wir ja noch gar nicht, Streicheln und Küssen zählen nicht. Auch Sex muss natürlich getestet werden, und auch den kann man doch erst ausprobieren, wenn es vorher nichts mehr gibt, was dagegenspricht, zusammenzuwachsen. Also, erster Sex und gemeinsame Wohnung, das sind sozusagen die letzten beiden Tests vor irgendwelchen Hochzeits- oder gar Familienplanungen.
Um einen Kompromiss zu finden, schlage ich ihr nach längerem Nachdenken vor: »Wenn wir zusammenziehen, bevor wir zusammen auf so eine tropische Kokospalmeninsel wie Saint Lucia gefahren sind, dann würde ich unsere gemeinsame Wohnung aber zunächst wie eine unverbindliche WG betrachten. Wie wäre das für dich, als Kompromiss?«
»Dann kann ich mir auch gleich eine Wohnung für mich alleine suchen. Für mich ist es Zeit, von zu Hause auszuziehen, und zwar am besten noch in diesem Frühling!«
»Waaaaas?«
»Ja, und am schönsten wäre es doch, wenn ich mir eine Zweizimmerwohnung suche und wir da gleich zusammen einziehen könnten!«
»Ich will jetzt erst mal diese Doktorarbeit da an der Uni zu Ende bringen. Und da kann ich keinen anderen Stress gebrauchen. Ich kann mich nicht um zwei so wichtige Dinge gleichzeitig kümmern. Kann das denn nicht noch ein Jahr warten?«
»Nein, dann suche ich mir zumindest erst einmal eine Einzimmerwohnung für mich alleine!«
Ich starre nach unten. Das war’s dann wohl wieder einmal. Ich bin getroffen. Am liebsten würde ich aufstehen und gehen. »S…« zische ich, ich bin so sauer, dass ich kein weiteres Wort herausbringe.
Apokalyptische Stille an unserem Tisch.
Mein Parlament tagt schon wieder. Das Leben folgt Grundsätzen, die ich nicht verstehe. Es ist so, als ob ich jetzt hier »Mensch-ärgere-dich-nicht« spielen soll, ohne dass mir einer die Regeln erklärt hat. Es sieht so aus, als wenn ich einfach spielen muss. Und beim Spielen die Regeln lernen kann.
Die drohenden Veränderungen, die Dinge, die ich nicht planen kann, sie beschäftigen mein Hirn. Ganz gewaltig. Mein ganzer Arbeitsspeicher ist voll. Da geht nichts anderes mehr rein. Auch
Weitere Kostenlose Bücher